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Archiv-Artikel

Handel, Drogen, Migration: beim Nachbarn zu Besuch

USA/MEXIKO Mexikos Präsident Enrique Peña Nieto ist der erste Staatsgast in Washington im neuen Jahr

Für Obama wird es schwierig, Komplimente für Peña Nieto zu finden

AUS WASHINGTON DOROTHEA HAHN

„Enrique Peña Nieto ist nicht willkommen“, steht auf den Flugblättern von Menschenrechtsgruppen in den USA. Wenn der mexikanische Präsident am Dienstag in Washington seinen Kollegen Barack Obama trifft, werden DemonstrantInnen vor dem Weißen Haus die Namen von Verschwundenen und Ermordeten der letzten Wochen und Monate in Mexiko hochhalten – darunter die Opfer der Verbrechen von Ayotzinapa und Tlatlaya.

Zugleich werden die DemonstrantInnen die US-Spitze auffordern, ihre Waffen- und Geldlieferungen sowie die „Sicherheits“-Zusammenarbeit mit dem südlichen Nachbarn einzustellen. Sie verlangen, den „Plan Mérida“, in dessen Rahmen seit 2008 mehrere hundert Millionen Dollar im Zeichen des „Kriegs gegen die Drogen“ in das südliche Nachbarland geflossen sind, zu kündigen. Die Geld-, Waffen- und Personalhilfe, so begründen sie, verschlechtert die Lage der Menschenrechte, statt sie zu verbessern.

Peña Nieto ist der erste ausländische Gast im Weißen Haus im neuen Jahr. Mit ihm empfängt Obama den Vertreter seines bevölkerungsreichsten Nachbarlandes, das für die USA der zweitwichtigste Handelspartner und das Herkunftsland eines ständig wachsenden Anteils ihrer eigenen Bevölkerung ist.

Auf dem Programm des Treffen stehen die Sicherheitszusammenarbeit, die Intensivierung des wirtschaftlichen Austauschs und die Einwanderung. Der Gast will, so hat Mexikos Regierung bereits angekündigt, Obama ein Kompliment für seine Einwanderungsreform aussprechen, die rund vier Millionen Papierlosen in den USA, darunter einer Mehrheit von MexikanerInnen, zu einer zumindest vorübergehend legalen Existenz verhelfen wird.

Umgekehrt wird es für Obama schwieriger sein, seinem Kollegen Nettigkeiten zu sagen und ihn zu unterstützen. Im Mai 2013 war das noch möglich. Da hatte Obama bei einem Besuch in Mexiko-Stadt – zum Ärger der Rüstungslobby in den USA – seine eigene Rüstungsindustrie mitverantwortlich für das mörderische Geschehen in Mexiko gemacht.

Das neue Treffen steht unter ungünstigen Sternen.

Noch vor einem Jahr war Peña Nieto ein von US-Unternehmen und Medien gefeierter Star. Vor allem, weil er in Mexiko zahlreiche – von US-Unternehmen lang erwartete – Privatisierungen begonnen hatte. Inzwischen ist er – sowohl zu Hause als auch bei Auftritten auf der internationalen Szene – zu einem der meistgehassten Politiker geworden. Nachdem mehr als 100.000 Menschen im letzten Jahrzehnt in Mexiko ermordet wurden und mehr als 25.000 „verschwunden“ sind, wurde das Verschwinden von 43 Lehrerstudenten aus Ayotzinapa zum Auslöser für massive Proteste. Die örtliche Polizei in Ayotzinapa nahm die Studenten auf Weisung des örtlichen Bürgermeisters gefangen und übergab sie an das organisierte Verbrechen. In deren Händen verloren sich die Spuren der Jungen.

Wenig später wurde bekannt, dass sowohl Peña Nieto als auch sein Finanzminister in Villen leben, die ein Bauunternehmen finanziert, das große öffentliche Aufträge bekommt.

Die Korruption an der Spitze Mexikos veranlassten eine Reporterin des US-Senders CNBC in einem Interview mit dem mexikanischen Minister Luis Videgaray dazu, zu sagen: „Wenn Barbara Bush in einem Haus gelebt hätte, das von Halliburton finanziert wird, hätte ihr Mann sein Amt verloren.“

Der „Krieg gegen die Drogen“, mit dem der Mérida-Plan und das massive Auftreten der mexikanischen Sicherheitskräfte begründet wird, hat die Verschlechterung der Menschenrechte in Mexiko beschleunigt. Aber den Drogenhandel über die Grenze hat er nicht verhindert. Im Gegenteil: Bestimmte illegale Drogen gelangen heute stärker aus Mexiko in die USA als je zuvor. Die US-Grenzschutzbehörde berichtete, 2014 dreimal so viel in Mexiko produziertes und illegal in die USA exportiertes Crystal Meth beschlagnahmt zu haben wie im Vorjahr.