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Archiv-Artikel

Besser als Gnade wäre Recht

HÄRTEFALLKOMMISSION

Hätten wir ein echtes Bleiberecht, würde es viele Härtefälle gar nicht geben

Dass es eine Einrichtung wie die Härtefallkommission (HFK) überhaupt gibt, ist eine Bankrotterklärung des Staates. Dieses „wichtige Korrektiv unseres Aufenthaltsrechts“, wie Berlins Integrationsbeauftragte Monika Lüke die HFK diese Woche nannte, ist nur deswegen nötig, weil deutsche Gesetze zum Teil himmelschreiendes Unrecht produzieren. So ist es etwa vom Gesetzgeber (also uns) vorgesehen, und in der Realität auch gar nicht mal selten, dass Menschen, obwohl sie in Berlin geboren und aufgewachsen sind, lediglich „geduldet“ sind oder eine befristete Aufenthaltserlaubnis haben. Kommen sie mit dem Gesetz in Konflikt, können sie ohne viel Federlesen abgeschoben werden. Wer solche Gesetze hat, braucht in der Tat eine Härtefallkommission, die Gnade vor Recht ergehen lässt.

Und so hatte die HFK in den zehn Jahren ihres Bestehens gut zu tun. Immerhin rund 3.000 Menschen konnte sie helfen, die sonst in den Mühlen des deutschen Rechts zerrieben worden wären. Vielen allerdings auch nicht: Denn es gibt einen Webfehler in der Konstruktion der Kommission. Das letzte Wort in jedem Fall hat nämlich: der Innensenator. Also ausgerechnet jene Instanz, die traditionell eine besonders harte Auslegung der ohnehin harten Ausländergesetze pflegt. Da verwundert es nicht, dass die Erfolgsquote der Kommission unter Innensenator Frank Henkel CDU) drastisch gesunken ist.

Bei ihm und seiner Partei herrscht immer noch ein mittelalterliches Weltbild vor, in dem Deutschsein und In-Deutschland-Leben exklusive Rechte sind – Menschen, deren Eltern oder Großeltern aus der Türkei oder dem Nahen Osten stammen, wird das nur unter größtem Vorbehalt gestattet. „Ein Intensivstraftäter hat schlechte Aussichten auf Anerkennung als Härtefall, auch wenn er hier geboren ist“, sagt Henkels zuständiger Beamter. Heißt: Diese schwierigen Fälle schieben wir ab – uns doch egal, dass sie hier in Berlin, in unserer Gesellschaft und unter unseren Gesetzen kriminell geworden sind.

Natürlich könnte man die Gesetze ändern: Man könnte das Arbeitsverbot für bestimmte Flüchtlinge ganz aufheben und so ihre von der CDU stets lauthals geforderte „Integration“ erleichtern, man könnte Einwanderungsmöglichkeiten jenseits des Asylrechts schaffen und die Diffamierung von „Wirtschaftsflüchtlingen“ beenden, man könnte ein „echtes“ Bleiberecht einführen, das jedem Erwachsenen, der, sagen wir, fünf Jahre hier ist, den legalen und unbefristeten Aufenthalt im Land gestattet. Man könnte – ja! Viele Härtefälle würde es dann gar nicht mehr geben, viele Menschen könnten einfach hierbleiben, leben und arbeiten wie alle. Aber wir wollen offenbar nicht. Oder, Herr Henkel?

SUSANNE MEMARNIA