: „Zeitungspapier ist wie ein Zeitraffer“. Interview mit dem Designer Kostas Murkudis
Kostas Murkudis wurde 1959 als Kind griechischer Bürgerkriegsflüchtlinge in Dresden geboren. Murkurdis studierte an der Designfachschule des Lette-Vereins Mode. Ab 1985 arbeitete er als rechte Hand des Wiener Designers Helmut Lang, danach ging er für fünf Jahre als Chefdesigner des italienischen Modehauses Diesel nach New York. Seit 1997 gilt Kostas Murkudis mit den Kollektionen unter eigenem Namen (u.a. 2004 mit seiner Designerlinie für den Unterwäschehersteller Schiesser) als einer der wichtigsten internationalen Modedesigner. Er lebt in Berlin.
taz: Ihre beiden Entwürfe für die Zukunfts-taz - eine Maske und ein Schal, auf die taz-Zeitungsausschnitte aufgenäht sind - wirken wie ein Kommentar auf die Leute in der U-Bahn, die sich hinter ihrer Zeitung verschanzen.
Kostas Murkudis: Ja, könnte man so sehen. Aber ich möchte diesen Dingen doch ihren Raum lassen, die Leute sollen selbst assoziieren. Ich möchte da nichts vorgeben.
taz: Welche Ausschnitte haben Sie ausgewählt?
Das sind Ausschnitte aus einer einzigen taz-Ausgabe, die uns spannend erschienen. In der Maske steckt zum Beispiel der Kopf eines Regisseurs, aus den Kulturseiten, aber es gibt Ausschnitte aus jedem Teil der Zeitung: Sport, Wirtschaft etc. So haben wir ausgehend von der ersten Ebene der Berichterstattung eine zweite Ebene generiert: Etwas Artifizielles, Kunst würde ich es nicht nennen, aber etwas Artifizielles, in dem die News nur noch ein Fragment ist. Vielleicht so ähnlich wie ein Drohbrief. Um so etwas wie Kommunikation - oder wie immer man das nennen mag - zu starten.
taz: Sie haben mal gesagt: „Ich finde es spannend zu sehen, wie meine Mode heruntergerockt wird.“ Auf der anderen Seite haben Sie vor zwei Jahren eine Kollektion gemacht, die „Haltbar“ hieß. Das Thema Vergänglichkeit versus Dauerhaftigkeit scheint Sie zu interessieren. Was halten Sie in diesem Zusammenhang von Zeitungs-papier?
Dieses Papier hat eine eigene Schönheit. Vergänglichkeit, Information, Zeit - diese Aspekte wandern durch eine Zeitung ja ungleich schneller als durch einen normalen Stoff. Zeitungspapier ist wie ein Zeitraffer. Das Reale darin ist vielleicht schon morgen nicht mehr unbedingt aktuell. Eine Zeitung wird dann fast unbrauchbar. Das finde ich total spannend. Daraus ergibt sich eine ganz besondere Schönheit, Haptik, Formensprache, die ein anderes Material gar nicht so zulässt. Zeitungspapier lässt ungleich mehr Mutationen zu, es ist fast wie eine skulpturale Arbeit. Das Schöne ist, dass es sich jede Bewegung, jede Veränderung, jede Beeinflussung merkt.
taz: Als Modedesigner bewegen Sie sich ja auf der Schnittstelle zwischen Ästhetik und Dienstleistung.
Mit Dienstleistung würde ich meine Arbeit nicht gern beschrieben wissen.In meiner Arbeit geht es immer auch um Poesie, nie um die reine Funktion.
taz: Was könnte dann eine Zeitung der Zukunft von Ihnen lernen?
Das Papier könnte ein bisschen sinnlicher sein. Es ist doch ein sehr schöner Vorgang, eine Zeitung zu berühren. Mein größter Wunsch allerdings wäre, dass es überhaupt noch das Medium Zeitung geben wird, mit all seinen Ecken und Kanten. Mit dem Lesen anhalten zu können, die Zeitung aus der Hand zu legen, sie wieder aufzunehmen, Dinge herauszureißen, damit zu spielen - das sollte nicht verschwinden. Das wäre sehr schade. Interview: Kirsten Riemelmann