KOMMENTAR VON INES POHL ZU KARNEVAL UND ZENSUR NACH „CHARLIE HEBDO“ : Verbot im Namen der Angst
Wo fängt sie an, die Zensur im Kopf? Wann geben wir uns geschlagen vor der stärksten Waffe, die Terroristen haben: der Angst?
Die Entscheidung des Kölner Karneval-Komitees, einen Wagen zu Charlie Hebdo aus dem Programm zu nehmen, ist Anlass genug, darüber nachzudenken. Man nehme die Sorgen der BürgerInnen ernst, so die Begründung des Komitees.
Welche sind das, diese Sorgen? Die Angst, dass Terroristen sich von einem braven Pietistenwitz provozieren lassen und deshalb zielgerichtet einen Anschlag auf die Jecken verüben? Schwer vorstellbar. Oder ist es eher die Sorge, dass ein massives Polizeiaufgebot das muntere Treiben trüben könnte? Das scheint wahrscheinlicher. Und würde auch besser zur Tradition des Kölner Unternehmens Karneval passen, das immer mal wieder Wagen zurückgezogen hat, um das Millionengeschäft, das der Karneval eben auch ist, nicht zu gefährden.
Es ist viel geschrieben worden seit den Anschlägen auf das Satiremagazin Charlie Hebdo; dazu, wie wichtig die Pressefreiheit sei. Stimmt. Aber mindestens so wichtig ist es, den Mechanismus zu erkennen, der hinter der Hysterie steckt – nur so kann man sie durchbrechen.
Der Umgang der USA mit den Terroranschlägen vom 11. September 2001 lehrt uns, was es bedeutet, wenn man sich dem Irrglauben hingibt, man könne die Freiheit eines Landes durch den Ausbau der Staatsmacht bewahren. Die Zerstörung der Privatsphäre oder auch die Foltermethoden der CIA belegen, wohin es führt, wenn man ein Land in einen permanenten Alarmzustand versetzt und die Menschen damit in eine dauerhafte Angst. Hierin liegt die wahre Gefahr.
Die KölnerInnen können mit ihrem Karneval natürlich machen, was sie wollen – der Staat darf so etwas nicht. Gerade diesbezüglich gibt es nun aber tatsächlich Grund zur Besorgnis. Nicht nur, weil Überwachung ebenfalls ein großes Geschäft ist. Sondern weil die BürgerInnen erst dann wirklich frei und mündig sind, wenn sie auch vor den Übergriffen des Staates geschützt sind.
Hier geht es um keinen falsch verstandenen Spaß mehr, sondern um die Menschenrechte. Und die Frage, wozu es massive Sicherheitsvorkehrungen gibt. Ob es eine wirkliche Bedrohungslage ist, die sie notwendig machen, oder ob nicht vielmehr die Angst geschürt wird, um sie besser für die eigenen Zwecke instrumentalisieren zu können.