Gewonnen mit links, verloren mit rechts?

GRIECHISCHE REGIERUNG Alexis Tsipras heimst einen grandiosen Wahlerfolg ein und führt seine Linkspartei Syriza in eine Koalition mit rechten Nationalisten. Ist seine Politik schon kompromittiert? Ist das Bündnis mit Anel nötig, um echte Sozialpolitik zu betreiben?

■ betr.: „Tsipras’ Plan für Athen“, taz.de vom 28. 1. 15

So weit, so gut. Mal sehen, was sich davon umsetzen lässt, ohne die Geldgeber zu brüskieren. Was mir viel mehr Sorgen macht, ist die Andeutung, mit Putin ins Bett zu gehen. Das geht gar nicht. MICHA MILLE, taz.de

■ betr.: „Hellas in Aufregung“, taz.de vom 28. 1. 15

Komisch, ich lebe in Griechenland und höre und sehe die letzten zwei Tage großteils nur Erfreuliches und Positives. Tsipras’ Tempo und seine Personalentscheidungen sind bis dato bemerkenswert. Es weht ein frischer Wind sowohl in Griechenland als auch in der EU, denn Letztere hat einen Opportunisten weniger.

Kammenos? In Griechenland gibt es weit Schlimmeres als Kammenos, abgesehen davon ist sein Handlungsspielraum sehr begrenzt. Was die Türkei betrifft, insbesondere Erdogan, hat er ja nicht einmal ganz Unrecht. Für die Migranten muss man hoffen, dass sich ihre Lage unmittelbar bessert, ich glaube nicht, dass Kammenos diese Besserung verhindern wird. KARL SONNENSCHEIN, taz.de

■ betr.: „Hellas in Aufregung“, taz.de vom 28. 1. 15

Griechenland muss in einer Krise, wie dieser schon über Jahre andauernden, Geschlossenheit sowie den Willen voranzukommen beweisen. Den Beweis ist Griechenland jedoch nicht der EZB schuldig, sondern dem griechischen Volk. Dies kann natürlich nicht geschehen wenn rechts, Mitte oder links sich gegenseitig anfeinden beziehungsweise keinen Konsens finden. GINOKRIO, taz.de

■ betr.: „Schwierige Wahlverwandte“, taz.de vom 26. 1. 15

Der Zweck heiligt nicht alle Mittel. Syriza hat der Hoffnung auf ein soziales Europa durch die heute vereinbarte Regierungskoalition mit der völkisch-reaktionären Rechten einen dicken Dämpfer verpasst. Das klarste Bekenntnis gegen Nationalismus und Fremdenfeindlichkeit wäre eine Absage an Anel gewesen! Zwar wären Kompromisse mit einer Partei wie To Potami, die sich als möglicher Koalitionspartner Syrizas angeboten hat, deutlich schwerer auszuhandeln gewesen, als dies möglicherweise mit den Leuten von Anel sein wird, aber mit dem jetzigen faulen Kompromiss begräbt Syriza gleich zu Anfang eines möglichen Neuanfangs die Idee vom Wandel und sozialen Fortschritt in Europa. Bleibt nur zu hoffen, dass die eigene Basis Tsipras dazu bewegen wird, dieses Zweckbündnis schnellstmöglichst wieder aufzukündigen.

Wie sehen das die Griech_innen selbst? Unterschätzt wird hierzulande oft die existenzielle Not, aus der heraus viele Griech_innen gewählt haben. Gelebte Solidarität könnte im Gegensatz zu den ermüdenden Veranstaltungen und Gestalten der Linkspartei heißen, mit einer geeinigten linken Kraft – beispielsweise nach dem Vorbild der spanischen 15M und ihrer Nachfolgeprojekte – darauf hinzuwirken, dass die Austeritätsbefürworter_innen hierzulande aus ihren Ämtern verjagt oder abgewählt werden. KRABOWSKI_31, taz.de

■ betr.: „Schwierige Wahlverwandte“, taz.de vom 26. 1. 15

sorry, ich kann die grünen einfach nicht mehr ernst nehmen. was die seit jahrzehnten für einen sozial- und wirtschaftspolitischen eiertanz hinlegen, ist echt sagenhaft. die wahl der rechtspopulisten hat sicherlich den hintergrund, im parlament einen „harten europakurs“ fahren zu können. das hat nichts mit rechten bettwanzen zu tun. man rechnet sich halt aus, dass mit allen anderen koalitionspartnern keine abkehr vom sparkurs durchzusetzen ist. was ein schlag ins gesicht der sozialdemokraten in griechenland ist. TAZMANIER, taz.de

■ betr.: „Schwierige Wahlverwandte“, taz.de vom 26. 1. 15

Die griechische Linkspartei müsse nun ihr Verhältnis zu Rechtspopulisten klären und ein klares Bekenntnis gegen Nationalismus und Fremdenfeindlichkeit ablegen, meint Simone Peter von den Grünen. Nein, muss sie nicht. Ich finde es furchtbar, dass eine linke Partei mit den Rechten zusammengeht, zumal das das bescheuerte Hufeisenmodell wieder bestärkt (was falscher gar nicht sein könnte, wenn man sich etwas mit politischen Grundbegriffen auseinandersetzt), aber noch viel schlimmer sind diese Forderungen nach „Positionierungen“, die zum politischen Alltag gehören. Mir doch wurscht, wo sich jemand positioniert. Das Einzige, was zählt, ist die Tat, und wir werden sehen, wo diese Regierung hinführt. Hoffen wir, dass es nicht so läuft wie seinerzeit mit den Italienern, ein Zusammenschluss von Nationalisten und Sozialisten resultierte schließlich schon mal im Faschismus … DAS SINGENDE NIVEAU, taz.de

■ betr.: „Rechte Stimmen für Syriza“, taz.de vom 26. 1. 15

Nicht, dass man allzu viel hätte erwarten dürfen. Trotzdem versetzt Syriza all jenen, die auf eine zaghafte progressive Wende in Europa gehofft hatten, einen Tiefschlag. Trotz der verheerenden Situation im Land: Wenn der Anti-Troika-Minimalkonsens schwerer wiegt als die Positionen der Anel zum Thema Migration, dann muss sich eine zukünftige Regierung Tsipras fragen lassen, was an ihr überhaupt noch links sein soll.DROLLI, taz.de

■ betr.: „Entspannt vor hohem Besuch“, taz.de vom 29. 1. 15

EU-Parlamentspräsident Martin Schulz wird der griechischen Regierung klarmachen, dass ein kleiner Schuldenstaat wie Griechenland bei den Entscheidungen der EU nichts zu melden hat, dass das Veto nur auf dem Papier steht. Er wird den Griechen die Folterwerkzeuge zeigen, die den Großen in der EU zur Verfügung stehen. Die Starken tun, was sie können, die Schwachen tun, was sie müssen. Das ist Schulz’ Vorstellung von Vernunft.

Die Haltung zu den EU-Sanktionen ist die erste Nagelprobe für die Regierung Tsipras. Dass ausgerechnet der Finanzminister in Sachen Veto gegen die Russlandsanktionen zurückrudert, dürfte bedeuten, dass er diese Frage als Verhandlungsmasse in der Frage der griechischen Schulden – und übrigens auch der deutschen Reparationszahlungen – betrachtet. Ein Fehler. h4364, taz.de

■ betr.: „Angst im Angesicht der Querfront“, taz.de vom 30. 1. 15

Inhaltlich war und ist To Potami, die Jan Feddersen als Koalitionspartner empfiehlt, keine Alternative: Die Partei geriert sich als gegen das Establishment eingestellt und als unideologisch-fortschrittlich, hat aber im Wahlkampf etliche politische Zombies des Politestablishments aufgesammelt. Programmtisch ist To Potami sehr vage, vertritt aber – in Deutschland kaum wahrgenommen – neben neoliberalen durchaus auch rassistische Positionen (wie etwa die Forderung nach Quoten für MigrantInnen in Stadtteilen). pipihendi, taz.de