: Konzerne beherrschen Agrarmärkte
FAO Eine Milliarde Menschen hungern, 37.000 sterben täglich
GENF Die „Nahrungs- und Landwirtschaftsorganisation“ (FAO) der UNO hat die weltweite Stabilisierung und Senkung der Nahrungsmittelpreise gefordert, die in den letzten vier Jahren zum Teil erheblich angestiegen sind – ebenso wie die Zahl der Hungernden und Hungertoten in der ganzen Welt.
In ihrer Botschaft zum gestrigen Welternährungstag vermeidet die FAO allerdings eine klare Benennung der Ursachen des Preisanstiegs und macht Vorschläge zu seiner Bekämpfung, die unter unabhängigen UNO-Experten und bei Nichtregierungsorganisationen (NRO) umstritten sind. Der 1979 von der UNO ausgerufene Welternährungstag wird seither immer am 16. Oktober begangen, dem Tag der Gründung der FAO im Jahr 1945. Laut dem in der letzten Woche veröffentlichten „Welternährungsbericht 2010“ der FAO waren das Steigen der Preise für Saatgut und Nahrungsmittel wesentlich dafür verantwortlich, dass die Zahl der Hunger leidenden Menschen im letzten Jahr weltweit um rund 70 Millionen auf über 1 Milliarde zugenommen hat.
Bereits mit dem Beginn der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise in den Jahren 2008/2009 erfolgte ein Anstieg um rund 80 Millionen. Die Zahl der Hungertoten wuchs von rund 24.000 pro Tag im Jahr 2007 auf 37.000 im Jahr 2010. Der Genfer Soziologe Jean Ziegler, bis 2008 UNO-Sonderberichterstatter für das Menschenrecht auf Nahrung, sieht die Hauptursache dieser Entwicklung in der Börsenspekulation mit Grundnahrungsmitteln durch Hedgefonds, Großbanken und multinationale Nahrungsmittelkonzerne. Der Weltmarktpreis für Mais ist seit Anfang 2010 um 93 Prozent gestiegen. Die Tonne Weizen ist mit 271 Euro heute doppelt so teuer wie vor einem Jahr. „Börsenspekulation mit Grundnahrungsmitteln gehört verboten“, erklärte Ziegler in einem Interview mit der taz. Die FAO schreibt nur, die Börsenspekulation mit Nahrungsmitteln sei „nicht der Auslöser“ von Preisveränderungen, sondern könne lediglich „das Ausmaß und die Dauer dieser Veränderungen beeinflussen“. Den Landkauf durch ausländische Unternehmen, durch den laut Ziegler in Äthiopien und anderen afrikanischen Staaten allein im letzten Jahr rund 41 Millionen Hektar für die Nahrungsmittelproduktion nutzbare Fläche verloren ging, erwähnt die FAO nicht. Bei den Maßnahmen zur Stabilisierung der Preise setzt die FAO auf die Welthandelsorganisation (WTO). Ziegler und globalisierungskritische NRO halten die WTO für den falschen Ort. Denn die seit Anfang der 90er Jahre getroffenen Vereinbarungen zur Handelsliberalisierung hätten, so Ziegler, dazu beigetragen, dass „Monsanto und neun weitere multinationale Konzerne heute den gesamten Weltagrarmarkt beherrschen – zum Nachteil der armen Länder Afrikas“. ANDREAS ZUMACH