LESERINNENBRIEFE
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Leidenschaftlicher Disput im Salon

■ betr.: „Meine Mudda gehört zu Deutschland“, taz vom 3. 2. 15

Danke für die herzerfrischenden Zeilen zum Thema „Verordnete Dialoge mit vermeintlich Andersgläubigen“. Wir haben hier in der hessischen Provinz zwar keinen Gemüse-Ali aber dafür eine liebenswerte Friseurmeisterin Gülsen, die uns kürzlich in einem Disput über Religion und Gott mit einem noch radikaleren Atheismus aufschreckte, als den, den wir für uns reklamieren. Sie redete sich so in Rage, dass endlich mehr vom kostbaren Haarschmuck den Boden zierte, als uns lieb war. Nun denn, die Sache war es wert und zudem erkenntnisfördernd: Als sich auch noch ein christlich orientierter weiterer Kunde einmischte, war richtig Leben im Salon. Ein leidenschaftliches, nicht fundamentalistisches Streitgespräch, das allen Spaß gemacht hat.

So geht’s auch! KLAUS TRÖGER

Von US-Country-Radios boykottiert

■ betr.: „Merkwürdiges Ding“, taz vom 30. 1. 15

der artikel gegen johnny cash ist untragbar. es wird behauptet, johnny cash sei 1969 ein konservativer sänger gewesen und es habe verwundert, dass er mit dylan gearbeitet habe – johnny cash trat schon anfang der 60er auf dem newport folk festival auf und wurde darauf von den us-country-radios boykottiert, er trat dort unter anderem schon mit dylan-songs auf. für die native american songs etc. musste cash auch anfang der 60er jahre ein eigenes label gründen, weil seine alten label das nicht veröffentlichen wollten. ANDREAS URSTADT, Vöhringen

Hilf- und Ideenlosigkeit

■ betr.: „Mich stört der Ton aus Athen“, taz vom 3. 2. 15

Seit wann berichtet die taz über oberlehrerhaft vorgetragene emotionale Störungen von Politikern auf der Seite 1? Außerdem fände selbst der neoliberale Herr Steinbrück es sicher uncool, wenn ihm unterstellt wird, dass er wegen des Tons aus Athen einen Schuldenschnitt ablehnt. Er ist ja nicht blöd. Der Artikel von Herrn Hillenbrand offenbart die ganze Hilf-und Ideenlosigkeit der Euro-Krisenpolitik. Hätte er geschrieben: „Ich weiß es doch auch nicht!“, wäre die Botschaft ohne die vielen „Ja, aber“ klar gewesen und ich könnte für die Zukunft auf gut recherchierte Artikel über die aktuelle Situation in Griechenland und das politische Programm der neuen Regierung hoffen. RITA SCHÄFER, Hilden

Der heilige Richard

■ betr.: „Das geeignete Vorbild“, taz vom 2. 2. 15

Der heilige Richard verteidigte höchstpersönlich seinen Vater Ernst von Weizsäcker, den Staatssekretär von NS-Außenminister Ribbentrop, bei dessen Kriegsverbrecherprozess. Es gibt viele Dokumente, die Ernst von Weizsäckers direkte Verwicklung in den NS-Völkermord belegen. Interessanterweise hat der heilige Richard immer auf der Unschuld seines honorigen Vaters bestanden.

St. Richard war in den 60er Jahren Geschäftsführer einer Chemiefirma, die Agent Orange für den Vietnamkrieg der USA produzierte. Er will davon nichts mitbekommen haben. Interessante Realitätswahrnehmung, wie schon bei seinem Vater. Mit einem solchen Blickwinkel wird man dann überirdisch guter Bundespräsident.

Sein Bruder, der Physiker Carl-Friedrich von Weizsäcker, war der unbequemere und vielleicht bedeutendere Mann. Aber mit dessen Qualitäten wird man eben nicht Bundespräsident, obwohl es ihm angetragen wurde.

Die Weizsäckers stellen exemplarisch die nahtlose Kontinuität deutscher „Eliten“ zwischen Kaiserreich, NS-Regime und BRD da: Wo wir sind, ist oben! Das mögen Genealogen und Leser bunter Blättchen toll finden, hinterlässt bei mir jedoch einen faden Nachgeschmack. Doch genug der Blasphemie, zurück zum Gottesdienst. MARTIN MAHADEVAN, Berlin