: Schulprojekt lange bekannt
Dass sich die Schulbehörde wegen der nicht genehmigten Grundschule plötzlich „betrogen fühlt“ können die Eltern nicht verstehen: „Alles wurde längst offiziell geregelt.“ CDU will Aktuelle Stunde
Von Christian Jakob
Parlamentarische Konsequenzen drohen Bildungssenatorin Renate Jürgens-Pieper (SPD). Am Donnerstag unterrichtete sie die Bildungsdeputation über ein nicht genehmigtes freies Schulprojekt am Körnerwall. Viele Jahre hatten Eltern dort insgesamt über 250 Kinder im Grundschulalter selbst unterrichtet oder unterrichten lassen – angegliedert an einen freien Kindergarten und an der Schulaufsicht vorbei. „Wir sind 14 Jahre betrogen worden“, so Jürgens Pieper. Die CDU schäumt.
„Es ist unfassbar, dass die Bildungsbehörde das nicht gemerkt haben will“, sagt der bildungspolitische Sprecher der CDU-Bürgerschaftsfraktion Claas Rohmeyer. „Es geht mir gar nicht um mögliche Rechtsverstöße der Eltern, sondern um das Versagen der Schulaufsicht.“ Eigentlich glaubt Rohmeyer aber, dass die ganze Sache noch viel schlimmer ist: „Da muss jemand schon früher etwas gemerkt haben. Die Kinder sind schließlich alle irgendwann in die fünfte Klasse gekommen.“ Rohmeyer hat bei der Behörde einen schriftlichen Bericht angefordert und für kommenden Dienstag eine Aktuelle Stunde in der Bürgerschaft beantragt – Titel: „Jahrlang unerkannte Schulverweigerung in Bremen“.
Harte Kritik für Jürgens-Pieper kommt auch von dem Bremer Rechtsanwalt Matthias Westerholt – aber aus sozusagen gegenteiligem Grund: „Ich verstehe überhaupt nicht, welcher Teufel die Senatorin geritten hat, die Sache plötzlich als großen Skandal der Öffentlichkeit aufzutischen.“ Laut Westerholt, der eine Gruppe der Körnerwall-Eltern vertritt, wusste die Behörde nämlich schon seit Anfang des Jahres von der Sache. „Wir haben mit der Behörde ein ganz offizielles Moderationsverfahren zur Auflösung der privaten Beschulung durchgeführt. Meinen Mandanten sind Verstöße gegen das Schulgesetz vorgeworfen worden, und die haben wir einvernehmlich geklärt.“ Die Behörde habe „ganz klasse und kindeswohlorientiert kooperiert“.
Mit ausgehandelt hat die unter der Ägide des alten SPD-Bildungssenators Willi Lemke getroffene Vereinbarung der ehemalige Staatsrat Christoph Hoppensack. Hoppensack zufolge einigten sich die Beteiligten unter anderem darauf, dass die zuletzt acht Körnerwall-Kinder in die Kinderschule „Auf der Hohwisch“ wechseln. Ihre Eltern sollten ein Bußgeld von 200 Euro an eine gemeinnützige Einrichtung zahlen und der Behörde offenlegen, wie in der Vergangenheit die Schulaufsicht umgangen werden konnte. Dabei sei herausgekommen, dass bei der Anmeldung in der fünften Klasse angegeben wurde, die Kinder seien in freien Schulen in Niedersachsen, die keine Schülerakten führten, zur Grundschule gegangen. Im Gegenzug für diese Angabe habe die Schulbehörde auf weitere Sanktionen sowie die Forderung nach namentlicher Nennung aller 200 Eltern verzichtet. Dass die CDU die Sache als „Schulverweigerung“ bezeichnet, kann Hoppensack nur bedingt nachvollziehen. „Juristisch muss man dass wohl so nennen, materiell eher nicht.“ Er habe an keiner Stelle den Eindruck gewonnen, „dass die Kinder nicht gekriegt haben, was sie brauchten“.
Anwalt Westerholt glaubt, dass die Veröffentlichung der Sache vor allem einem Ziel dient: Das momentan laufende Genehmigungsverfahren des Vereins Freie Schule für eine – legale – freie Grundschule am Körnerwall zu diskreditieren. Es solle der Eindruck vermittelt werden, der – nicht von Westerholt vertretene – Verein Freie Schule wolle sich einen schon laufenden Betrieb nachträglich legitimieren lassen. „Doch die Gruppen sind nicht identisch.“ Die Sprecherin der Bildungsbehörde, Karla Götz, kritisiert indes die Körnerwall-Projekte. „Wir wollen gemeinsame Schulen für alle. Private Schulen werden wir nur bei begründetem öffentlichen Interesse genehmigen.“ Und dies sei am Körnerwall nicht gegeben.