: Heuschrecke grast die Mopo ab
Auf Kosten der Belegschaft will Investor David Montgomery die Rendite der „Mopo“ hochfahren. Weil er den Sparkurs nicht mehr mittragen konnte, nahm Chefredakteur Matthias Onken den Hut
VON MARCO CARINI
Der Etat geriet zum Eklat: Als Anfang November die Geschäftsführung der Hamburger Morgenpost (Mopo) dem Chefredakteur Mathias Onken und seinen Ressortleitern die Sparvorgaben für 2008 präsentierte, platzte Onken der Kragen. Noch während der Sitzung erklärte der Chefredakteur, der zuvor nicht über die aktuellen Kürzungspläne informiert worden war, seinen Abschied. Ende vergangener Woche jagte Mopo-Geschäftsführer Frank Willers den scheidenden Ex-Chef aus dem Redaktionssitz an der Griegstraße in Altona. Um seinen Schreibtisch zu räumen, blieben ihm gerade mal zwanzig Minuten. Der spektakuläre Abgang Onkens ist der vorläufige Höhepunkt einer Auseinandersetzung, für die verbliebene Mitarbeiter der traditionsreichen Morgenpost bereits eine Schlagzeile gefunden haben: Heuschrecken im Blätterwald.
Bereits als der nordirische Medienmogul David Montgomery über die von ihm kontrollierte „BV Deutsche Zeitungsholding“ Anfang 2006 die Morgenpost übernahm, befürchteten die Mopo-Mitarbeiter das Schlimmste. Montgomery, der knallharte Sanierer, den weniger die Qualität einer Zeitung als deren Rendite interessiert, baute die Morgenpost um und setzt verstärkt auf „Synergien“ mit der Berliner Zeitung und dem Berliner Kurier, die ebenfalls zu seinem Imperium gehören. Das Konzept: Die überregionalen Seiten werden nur noch an einer Stelle produziert und erscheinen – mit kleinen Varianten – in allen drei Zeitungen. Die einstige Vollredaktion der Mopo ist damit auf dem Weg zu Lokalredaktion, ab Ende kommenden Jahres soll auch der Politikteil zentral in Berlin erstellt werden.
Bislang gelang es den Mopo–Mitarbeitern trotz des Sparkonzepts, angedrohte Kündigungen weitgehend zu verhindern. Der Preis dafür: Ohne jede Personalaufstockung erstellt die Redaktion seit gut einem Jahr eine zusätzliche Sonntagsausgabe. Demnächst soll auch der Internet-Auftritt der Zeitung ohne Neueinstellungen erheblich ausgeweitet werden. Doch schon heute sei, so ein Redakteur, „die Arbeitsbelastung so hoch, dass das journalistische Niveau spürbar leidet“. In einer Stellungnahme des Mopo-Betriebsrates heißt es: „Wer die Redakteure wie eine Zitrone ausquetscht, gefährdet die Qualität und Zukunft der Mopo.“
2008 sollen nun Korrektorat und Archiv im Rahmen der Modernisierung des Redaktionssystems aufgelöst und fünf Mitarbeiter auf die Straße gesetzt werden. Zudem – so die Botschaft auf der Etatsitzung Anfang November – wird der Redaktionsetat um weitere drei Prozent eingekürzt.
Das Sparprogramm erfolgt ohne Not – der Mopo geht es besser denn je. Einen Rekordgewinn von 3,8 Millionen Euro und eine 15-prozentige Rendite weist die aktuelle Bilanz aus. Im kommenden Jahr soll der Gewinn auf 5,6 Millionen Euro gesteigert werden und die Rendite damit erstmals über die 20 Prozent-Marke klettern, die für Montgomery das Maß aller Dinge ist.
Explodierende Gewinne bei zunehmender Verschlechterung der Arbeitsbedingungen – da diese Schere immer weiter klaffte, nahm Onken, der das Vertrauen der Belegschaft genoss, seinen Hut und heuerte bei Bild-Hamburg an. Doch dahin will ihn die Mopo nun nicht ziehen lassen. Die mündliche Zusage, das Arbeitsverhältnis kurzfristig zu lösen, zog Geschäftsführer Willers Ende voriger Woche zurück, nachdem die Bild offiziell gemeldet hatte, dass Onken mit Gerald Selsch zukünftig die lokale Doppelspitze des Boulevard-Marktführers bilden soll.
Nun besteht Willers darauf, dass der Suspendierte arbeitsvertraglich weiter der Mopo verpflichtet sei. In einer hausinternen Mail warf er ihm hinterher, er habe sich zu einem „Erfüllungsgehilfen einer leicht zu durchschauenden Taktik“ der Axel Springer AG gemacht – zum Schaden der Mopo“. Onken, von dem ein Ex-Kollege sagt, er sei „wie ein Hund vom Hof gejagt“ worden, wollte gegenüber der taz „dieses unwürdige Nachtreten nicht weiter kommentieren“.
Sein Nachfolger, glaubt ein langjähriger Mopo-Mitarbeiter, wird es „in der Redaktion schwer haben, da seine Aufgabe darin bestehen wird, Sparmaßnahmen durchzusetzen“. Details, die aus den ersten – erfolglosen – Bewerbungsgesprächen durchsickerten, geben dieser Befürchtung Nahrung. So soll von den Bewerbern eine „umfassende Loyalität zur Verlagsspitze“ und das „klare Bekenntnis zu weiteren Synergien“ abverlangt worden sein.
Das Ergebnis: Zahlreiche Ex-Morgenpostler wie Uwe Dulias, Hansjörn Muder oder Thomas Friemel gerieten für den Job ins Blickfeld – doch bislang sagten alle Kandidaten ab. Unter Montgomery, so scheint es, möchte niemand Chefredakteur sein.