: Neustadt jetzt noch neuer
NETZWERK Die Spatzen pfeifen es von den Dächern: Die Neustadt mausert sich zum In-Viertel. Jetzt will ein neues Netzwerk für mehr Kooperation im Quartier sorgen
VON ANDREAS SCHNELL
Wenn in anderen, größeren Städten über Gentrifizierung gesprochen wird, dann geht es immer auch darum, welcher Stadtteil als Nächstes hochgejazzt wird, bis er Galao-gesättigt ist und die hippe Karawane weiterzieht. Auf eine neue Runde. In Bremen war derweil in den letzten Jahrzehnten immer mal wieder die „Yuppisierung“ des Viertels beklagt worden. Aber so richtig konnte sich kein adäquater Ersatzstandort in der Stadt finden. Dann wurde orakelt, Walle werde das neue Viertel, Findorff womöglich. Und auch die Neustadt war im Gespräch.
Es wird sich sich wohl nie letztgültig aufklären lassen, warum sich nun die Neustadt zu dem gemausert hat, wovon immer alle geredet haben. Es mag mit der Hochschule zu tun haben und den Studierenden. Es mag mit den hohen Mieten in Ostertor und Steintor zu tun haben, die vor allem junge Menschen ihre Wohnungssuche auch in Richtung Neustadt führte. Es wird schon auch mit einer recht gut bestückten Kulturversorgung zu tun haben: Schließlich residieren am Buntentorsteinweg und dem Leibnizplatz gleich drei Theater und die Städtische Galerie.
So oder so: Es herrscht Aufbruchstimmung in der Neustadt, zu den Genannten gesellten sich in den letzten Jahren neue Galerien wie der Projektraum 404, in Kneipen wie Gondi oder Woodstock hat eine neue Generation die Ägide übernommen, das ehrwürdige Gastfeld veranstaltet regelmäßig Lesungen und Konzerte, Anfang dieses Jahres eröffnete mit dem Kukoon ein neuer Stadtteiltreff mit gastronomischem Angebot und Kulturprogramm, im April eröffnet in der Osterstraße schon wieder eine neue Bar und der ein oder andere Viertelwirt schaut sich in der Neustadt nach einem neuen Ladenlokal um.
Das Kukoon ist nun auch Teil eines neuen Netzwerks, das sich am kommenden Freitag der Öffentlichkeit präsentiert. Dann wird auch der Quartiersplatz eingeweiht, der so etwas wie ein Herzstück der städteplanerischen Bemühungen um die Neustadt ist, die ihren Teil zum Stadtteil-Boom beitragen sollen. Schon 2006 begannen die Planungen für die Umgestaltung des Schulhofs der Oberschule am Leibnizplatz, in der auch die Bremer Shakespeare Company residiert. Außerdem galt es, die Öffnung des Gebäudes zu den Wallanlagen zu erreichen. Wofür die Theaterkneipe Falstaff nicht nur zum Quartiersplatz hin geöffnet werden, sondern auch an der Schulstraße auf der anderen Seite des Gebäudes eine Außenfläche erhalten soll. Knapp 1,2 Millionen Euro hat Bremen für diese Baumaßnahmen spendiert. Eine weitere Maßnahme war die Vollendung des Fußwegs um die Piepe, um den öffentlichen Zugang zum Café K des Rotes-Kreuz-Krankenhauses zu ermöglichen.
Am vergangenen Donnerstag stellte sich die Initiative „Vis-a-vis“ mitsamt ihrem neuen Logo, zwei Einsen, die sich so gegenüberstehen, dass sie ein N bilden, der Presse vor, als Kulturnetzwerk, das sich aus einer Vielzahl von Akteuren zusammensetzt, die bislang offenbar eher nebeneinander her werkelten.
Darunter finden sich nicht nur alteingesessene Kultureinrichtungen wie die Shakespeare Company, die Schwankhalle, die Weserburg und die Städtische Galerie, sondern auch jüngere Initiativen wie das Zwischennutzungsprojekt „Ab geht die Lucie!“, das auf dem Lucie-Flechtmann-Platz eine Art Nachbarschaftsgarten betreibt, das Kukoon und das Modernes. Und auch Hochschule und Rotes-Kreuz-Krankenhaus sind mit dabei. Vor allem soll das neue Netzwerk die Wege für Kooperationen verkürzen, wie Renate Heitmann von der Shakespeare Company erklärt. Beispiele dafür gibt es auch schon. So arbeitet das „Café K“ im Rotes-Kreuz-Krankenhaus für eine Ausstellung mit der Städtischen Galerie zusammen, die Bilder aus der Sammlung an das Krankenhaus-Café ausleiht. Die Städtische Galerie, die dieses Jahr ihren 30. Geburtstag mit der Ausstellung „Im Rausch – Vergärungsprozesse in Kunst und Bier“ (Eröffnung: 30. Mai) feiert, öffnet sich ihrerseits hin zur kleinen Weser, wo der Künstler Conor Gilligan einen Biergarten gestalten wird.
Am kommenden Freitag, pünktlich zum Frühlingsbeginn, wird nun erst mal der Quartiersplatz eingeweiht. Wobei das Fest auf der anderen Seite der Weser beginnt: Mit einem Fahrradkorso geht es um 17 Uhr vom Marktplatz hinüber zum Leibnizplatz, wo es Musik, Akrobatik und Snacks gibt. Das Abendprogramm findet in den beteiligten Kultureinrichtungen statt, ab 22.30 Uhr wird gemeinsam im Falstaff gefeiert.
■ Freitag, ab 17 Uhr: Fahrradkorso (Treffpunkt: Marktplatz), 17.45 Uhr: Fest auf dem Quartiersplatz, 22.30 Uhr: Party im Falstaff