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Archiv-Artikel

Biodynamische Botschafter

ACKERKULTUR Reinschnuppern in den Alltag von biodynamischen Hofgemeinschaften, das ermöglichen die „Freunde der Erziehungskunst Rudolf Steiners“

VON CONSTANZE BROELEMANN

Lebensmittel sind in der biologisch-dynamischen Landwirtschaft nicht einfach Rübe oder Kartoffel, sondern „Charaktere“. Daher wird der Nährboden des Gemüses auch nur mit Kuhdung, Kiesel und Heilpflanzen gedüngt. Die Betreiber der biologisch-dynamischen Landwirtschaft gehen davon aus, dass ein landwirtschaftlicher Betrieb nicht ausschließlich dem Abschöpfen möglichst hoher Gewinne verpflichtet ist, sondern vielmehr wird darauf Wert gelegt, dass der Betrieb ein „lebender Organismus ist, der Individualität“ hat. Die Verantwortung für Menschen, Tiere und Erde stünden im Vordergrund, so heißt es auf der Webseite der „Freunde der Erziehungskunst Rudolf Steiners“.

Die gemeinnützige Organisation unterstützt waldpägagogische und soziale Projekte weltweit, nicht nur durch Spendenaktionen wie den WOW-Day, sondern auch durch praktische Hilfe vor Ort, insbesondere einen zwölfmonatigen „Freiwilligendienst“. Jedes Jahr sind bei diesen Einsätzen rund 1.000 junge Menschen im In- und Ausland tätig, Landwirtschaft inklusive.

Seit 1993 bieten die „Freunde“ allen Interessierten auch Einsätze auf biologisch-dynamischen Hofgemeinschaften an. Nach eigener Aussage sind sie einer der größten deutschen Trägerorganisationen für solche Freiwilligendienste. Seit Gründung des Vermittlungsbüros in Karlsruhe hätten 7.000 junge Menschen auf biologisch-dynamische Betriebe vor allem in Deutschland vermittelt werden können, heißt es.

Über das sogenannte Incoming-Programm der „Freunde“ können sich zugleich Freiwillige aus dem Ausland in der biologisch-dynamischen Landwirtschaft in der Bundesrepublik engagieren. Besonders Interessierte aus weniger entwickelten Staaten Afrikas, Asiens, Süd- und Mittelamerikas erhalten auf diesem Weg praktisches Wissen, das sie im Anschluss an den Einsatz an Menschen in ihrem Heimatland weitergeben können.

„Für mich war dieses Jahr sehr interessant. Ich hatte die Möglichkeit, Erfahrungen in der deutschen Landwirtschaft zu sammeln und Dinge, die mir neu waren, kennenzulernen. Anfangs fiel es mir allerdings sehr schwer, mich in dieser nördlichen, ländlichen Region von Deutschland einzugewöhnen“, berichtet etwa ein Freiwilliger aus Peru über seine Erfahrungen auf der biologisch-dynamischen Hofgemeinschaft Weide-Hardebeck in Schleswig-Holstein.

Die norddeutsche Hofgemeinschaft versteht sich als anthroposophisch inspirierte Gemeinschaft auf landwirtschaftlicher Grundlage. Dort leben und arbeiten mehr als 100 Personen mit und ohne Betreuungsbedarf zusammen.

Ursprünglich – ehe es zu einem Projekt der Freiwilligendienste wurde – sei die Idee der Einsätze jedoch gewesen, Absolventinnen oder Absolventen einer Ausbildung zur biologisch-dynamischen Landwirtschaft die Möglichkeit zu eröffnen, ein Jahr lang als „Botschafter“ in sogenannten Pionier-Betrieben auf der ganzen Welt zu arbeiten. Austausch und Wissenstransfer standen hierbei im Vordergrund. „In dieser Form kam es jedoch nur vereinzelt zu Kooperationen mit Pionierbetrieben im Ausland“, so Christoph Herrmann, Sprecher des Vereins.

Daher findet der Einsatz heute vorwiegend von jüngeren Menschen im Rahmen eines ökologischen Bundesfreiwilligendienstes statt. Der geschieht sowohl theoretisch als auch ganz praktisch in der alltäglichen Arbeit der Landwirtschaft und in Gärtnereien. Kooperationspartner sind hier Betriebe mit Bezug zum Demeter-Verband. Der Verband hat bestimmte Richtlinien festgelegt, nach denen diese Art der Landwirtschaft funktioniert – dem „Demeter-Qualitätsbegriff“. So sind bei der Geflügelhaltung beispielsweise Größe und Ausrichtung der Nester, Sitzstangen, Tränken oder Scharrflächen festgelegt. Ein weiterer Kooperationspartner ist der Naturschutzbund Deutschland (Nabu).

Interessenten sollten Spaß an der Arbeit im Freien mitbringen, körperlich belastbar sein und zupacken können. Ein typischer Arbeitstag beginnt sehr früh mit der Versorgung der Tiere und endet meistens recht spät. Waldorfschüler muss man übrigens nicht sein, der Freiwilligendienst steht allen offen.

www.freunde-waldorf.de