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Archiv-Artikel

Der erste Rauswurf bei Rot-Grün

Über den Stil gestolpert: Nach 75 Tagen im Amt wird Umweltstaatsrätin Cornelia Ziehm kommenden Dienstag zurücktreten. Hintergrund ist das „erschütterte Vertrauensverhältnis“ zu Senator Loske

Von Henning Bleyl

Die Pressemitteilung ist dürr: Der Senator für Umwelt, Bau, Verkehr und Europa habe „die Versetzung von Staatsrätin Dr. Cornelia Ziehm in den Einstweiligen Ruhestand beantragt“. Anders ausgedrückt: Nach nur 75 Tagen im Amt schmeißt Senator Reinhard Loske (Grüne) seine für „Umwelt“ und „Europa“ zuständige Staatsrätin (parteilos) raus. Hintergrund ist ein offenbar heillos zerrüttetes Vertrauensverhältnis zwischen den beiden.

Die Tragik des Vorgangs liegt darin, dass es keinerlei konzeptionelle Gegensätze in der Ressortspitze gab. Ziehms Initiative für eine „Umweltzone“ in der Bremer Innenstadt wird von Loske voll mitgetragen, sie soll noch vor Weihnachten auf einer gemeinsamen Sondersitzung von Umwelt- und Verkehrsdeputation auf den Weg gebracht werden. Ebenso unstrittig ist Ziehms Klima- und Energieprogramm, das zum Beispiel die Nutzung von Ökostrom für Bremens Liegenschaften beinhaltet: Ende Januar kommt es auf die Tagesordnung. Ziehm wird zu diesem Zeitpunkt bei vollem Gehalt arbeitslos sein – drei Monate stehen ihr zu –, mit der Senatssitzung am kommenden Dienstag wird ihr Rauswurf formal vollzogen.

Ziehm kam mit großen Vorschusslorbeeren seitens der Umweltverbände nach Bremen, als Verbraucherschutz- und Rechtsexpertin der „Deutschen Umwelthilfe“ hatte sie sich Anerkennung erworben. Die kurz nach Ziehms Amtseinführung auftretenden Konflikte eskalierten anlässlich einer Glosse im Weser-Kurier: In den „Marktplatzplaudereien“ kolportierte ein Redakteur, Ziehm sei eine „Dimido-Staatsrätin“, also stets für lange Wochenenden außerhalb der Hansestadt zu haben. Während Ziehm auf einer Gegendarstellung bestand – wohl belegt durch zahlreiche auch an Freitagen wahrgenommene Termine –, wollte sich der Rest der Ressortspitze lieber auf einen „Goodwill-Deal“ mit der auflagenstarken Heimatzeitung einigen. Es sollte als Ausgleich eine positive Ziehm-Story geben, davon habe man doch mehr als von juristischem Gerangel.

Der an sich banale Vorgang verweist auf ein strukturelles Problem: Ziehm konnte nicht nur mit Loske nicht – beziehungsweise er mit ihr – auch MitarbeiterInnen kamen mit der „Neuen“ nicht klar und steckten der Presse die Sache mit den langen Wochenenden. Auch im Vergleich zu Wolfgang Golasowski, dem zweiten Staatsrat im Haus, kam Ziehm im hausinternen Vergleich schlecht weg. Der langjährige Deichgraf und Landgerichtspräsident – sowie einziger Bremer in der neuen Führungsspitze – galt im Handumdrehen als Stütze des Ressorts. Ziehm hingegen hatte weder entsprechende Verwaltungs- noch Mitarbeiterführungserfahrung.

Golasowski, eigentlich zuständig für Bau und Verkehr, soll „zunächst“ Ziehms Funktionen mit übernehmen. Hinter dem Zeitwort steckt die Frage, ob Ziehms Posten überhaupt wieder besetzt wird. Die CDU fordert bereits die Einsparung „der von Anfang an überflüssigen“ Stelle, auch BUND-Geschäftsführer Martin Rode gibt auf Anfrage zu bedenken, dass die notwendigen Abstimmungen mit einer verschlankten Führungsspitze möglicherweise leichter zu bewältigen seien. Ansonsten, sagt Rode, habe er Ziehm als „engagierte Verfechterin“ der Umweltzone schätzen gelernt. Ziehm selbst war gestern nicht zu erreichen.