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Archiv-Artikel

Schluss mit dem Schrott

VERSCHLEISS Konzerne verkaufen gern Produkte, die schnell kaputtgehen. Fünf Strategien gegen den provozierten Wegwerfwahn

Um Kopfhörer der Marke Sennheiser in Kopfhörer zu verwandeln, die im Handel 150 Dollar teurer sind, braucht es bloß einen Schraubenzieher

VON PHILIPP BRANDSTÄDTER

Die Wälder gerodet, die Meere mit Plastik verseucht, ein Planet versinkt im Müll. Im Müll unseres Konsumterrors. Warum kaufen wir eigentlich ständig ein? Und warum geht alles gleich wieder kaputt? Ganz einfach: Damit wir noch mehr kaufen.

Ökonomen nennen das „Produktlebenszyklus“ oder auch „Obsoleszenz“. Die kann psychisch provoziert sein, wenn Käufer durch Werbung animiert werden, immer das Neueste haben zu wollen. Oder bewusst geplant, indem Produkte so gebaut sind, dass sie an einer vorgesehenen Stelle kaputtgehen und nachgekauft werden müssen. Vor allem in der Industrie für Elektrogeräte – schwache Akkus, überempfindliche Notebooks, durchgeschmorte Platinen – eine gängige Marktstrategie.

Fünf Strategien gegen den provozierten Wegwerfwahn:

1. Reparieren, was gar nicht kaputt ist

Drucker halten kein Leben lang. Sie sind beliebte Wegwerfprodukte. Fast jede Reparatur an ihnen ist teurer als ein Neukauf. Doch so kaputt sind kaputte Drucker manchmal gar nicht, dass man sie entsorgen müsste. Oft ist nur der kleine Schwamm vollgesogen, der im Selbstreinigungsmodus die Tinte auffängt, die durch die Kanülen gejagt wird. Viele Drucker sind auch mit Scannern versehen, die die Seriennummern von Tintenkartuschen einlesen, abspeichern und irgendwann den Patronenwechsel verweigern.

Oder ein Chip zählt die Ausdrucke mit. 20.000 Seiten, dann sagt der Chip: Schluss. Drucker „kaputt“. Doch der russische Programmierer Vitaly Kiselev hat einer führenden Druckerfirma den Kampf angesagt. Seine Software, die er als Gratisdownload auf ssclg.com/epsone.shtml zur Verfügung stellt, setzt bei allen gängigen Druckern der Marke Epson den „Waste Counter“ zurück auf null. Runterladen, installieren, ausführen. Bahn frei für die nächsten 20.000 Seiten.

2. Billiges zu Teurem schrauben

Anstatt immer bessere Produkte zu entwickeln, verkrüppeln manche Firmen auch ihre entwickelte Ware zu Ware, die billiger ist. Das behauptet der Kanadier Mike Beauchamp und beschreibt in seinem Blog, wie man Kopfhörer der Marke Sennheiser ganz leicht in Kopfhörer verwandelt, die im Handel 150 Dollar teurer sind. Man bräuchte bloß einen kleinen Schraubenzieher. Auf mikebeauchamp.com/misc zeigt der Hobbytüftler, dass die billigeren Kopfhörer neben minimalen Änderungen im Design lediglich ein Stück Schaumstoff mehr im Innenraum eingeklebt haben als die fast doppelt so teuren Exemplare derselben Marke. Schaumstoff raus, fünfzig Prozent mehr Sound.

Auf die Vorwürfe, dass in den beiden Produkten eine völlig unterschiedliche Technik verbaut sei, reagierte Beauchamp mit dem Foto eines von Sennheiser zugeschickten Ersatzteils, das offiziell für beide Kopfhörer benutzt werden kann.

Auch ganz hübsch: die Programme auf chdk.wikia.com. Die können die Firmware von Kompaktkameras knacken und so die Belichtungszeiten oder ISO-Werte erhöhen. Bessere Fotos, gleiche Kamera.

3. Selbst machen und Reparaturkosten sparen

Massenklagen hagelten 2003 auf Apple ein, nachdem der Konzern miserable Akkus in seine ersten iPods gebaut hatte. Später gab es Geldgutscheine für alle, die ihren schwächelnden MP3-Player mitsamt Quittung einschickten.

Auch jetzt noch kann man seinen iPod retten: Im Netz einfach einen neuen Akku bestellen und auf der Website ifixit.com eine Anleitung für das entsprechende Gerät suchen. Die erklärt, wie man die iPod-Batterie selbst auswechseln kann. Zuerst mit einem möglichst kleinen Schraubenzieher die beiden weißen Plastikteile auf der Ober- und Unterseite des iPods entfernen. Dann unten eine Metallklemme rausfummeln, einen Stecker von der Platine entfernen, zwei Schräubchen lösen und schließlich sämtliche iPod-Innereien aus dem Gehäuse schieben.

Danach geht alles ganz fix. Akku austauschen, Innereien wieder rein, anschrauben, feststecken, einklemmen, fertig. Das Erfolgserlebnis: ein wahrer Rausch. Auf die Begeisterung, als echter Sparfuchs zu handeln, folgt der Egotrip, ein Ausnahmetalent in Sachen Elektrotechnik zu sein. Manche Dinge sind eben einfacher, als man zunächst glaubt.

4. Die Gewährleistung bei Mängeln

Nur selten nutzen Konsumenten ihre Rechte, wenn ihnen ein gerade erst erworbenes Produkt kaputtgegangen ist. Aus Angst vor kostenpflichtigen Ratschlägen und Reparaturen, weil die Garantie abgelaufen oder die Quittung mal wieder verschwunden ist.

Dabei ist die freiwillige Garantie, die von Produkt zu Produkt mit verwirrenden Bedingungen gespickt sein kann, gar nicht so wichtig für den Käufer. „Die Gewährleistung ist entscheidender“, sagt Vertragsrechtsexperte Roland Lange. „Und die unterschlägt der Händler gerne mal, obwohl sie auch nach Ablauf der Garantie greifen kann.“

Garantie und Gewährleistung sind zwei unterschiedliche Dinge. Die Gewährleistung ist für jedes Produkt nach EU-Recht auf zwei Jahre festgelegt. Dabei kann der Käufer eines bereits beschädigten Produkts in den ersten sechs Monaten Anspruch auf Reparatur erheben, ohne irgendwelche Kosten fürchten zu müssen. Spezielle Papiere und Unterschriften müssen im Gegensatz zum Garantievertrag auch nicht vorgelegt werden.

„Für die Gewährleistung muss der Käufer nur belegen können, wo er das Produkt bezahlt hat und wann es ihm ausgehändigt wurde“, sagt Rechtsanwalt Lange. „Da reicht schon der Kontoauszug aus, oder ein Zeuge, der beim Kauf dabei war.“

5. So geht’s gegen die Wegwerfmentalität

All diese kleinen Do-it-yourself-Tricks werden die Unternehmen aller Voraussicht nach nicht bekehren, qualitativ hochwertige Produkte zu verkaufen, die ewig halten.

In unseren Köpfen müsste vielmehr ankommen, dass wir uns die verbreitete Wegwerfmentalität nicht länger leisten können. Beim Einkaufen sollten sich Konsumenten nicht nur fragen, ob sie genug Geld für ein neues Produkt haben, sondern auch, wie sie es denn weiterverwerten wollen, wenn sie es irgendwann nicht mehr brauchen.

Auf etlichen Online-Plattformen schließen sich Menschen zusammen, um gegen den geplanten, funktionellen und provozierten Verschleiß vorzugehen. Die Facebook-Gruppe „Gegen geplante Obsoleszenz“ versucht die Nutzer an das Thema heranzuführen und organisiert Petitionen gegen die Marktstrategien der Konzerne. Websites wie consumerist.com oder auch utopia.de verweisen auf kleine und große Sünden der Müllgesellschaft. Foren für Verbraucherschutz testen Waren und Dienstleistungen.

Auf Tauschbörsen wie zum Beispiel tauschen-ohne-geld.de organisieren sich regionale Tauschringe, wo Möbel, Haushaltswaren und Elektrogeräte vermittelt werden, anstatt auf der Müllhalde zu landen. Nachhaltiges Konsumverhalten geht auch per Mausklick.