SPÄTKAUF: GESCHENKE KURZ VOR SCHLUSS WIE JEDES JAHR: TIPPS AUS DER REDAKTION : Freudig wedelnd
Das Geschenk, das an Weihnachten verboten ist
Dem Spätkauf sehr ähnlich ist der Spontankauf. Ein solcher führte zu Paul, der erst Dr. Müller heißen sollte, wie ein Physiker und Freund aus früheren Tagen, auf dessen Nobelpreisparty ich mir lange Zeit sicher war, eines Tages zu tanzen. Das kleine Häufchen Hund machte die Idee der ironischen Huldigung akademischer Exzellenz freilich schnell zunichte, wogegen der Vorname des Professors mehr und mehr gewann. Paul also, den dann alle Knut nannten, wegen der schwarzen Knopfaugen und der schwarzen Nase im schneeweißen Fell. Ich hatte weder Futter noch Leine noch irgendeine Idee, was es heißt, für ein Tier verantwortlich zu sein, als ich ihn an einem Sonntag im Frühjahr mit nach Hause nahm. Auch wenn ich mir sicher bin, dass Paul mit diesem aus heiterem Himmel gefällten Entschluss einverstanden ist, der schnell entschlossene Spätkauf verbietet sich bei einem Tier.
Das meint auch das Tierheim Berlin, das in der Weihnachtszeit keine Tiere vergibt. Denn nach den Feiertage sind sie wieder da. Trotzdem kann ein Tier ein wunderbares Geschenk sein. Nur sollte man erst zum Buch statt gleich zum Tier greifen. Zu empfehlen sind Erziehungsratgeber und Sachbücher über Wesen und Eigenart des Tiers wie über die Anforderungen, die seine Haltung bedeutet. Vor Bildbänden dagegen sei gewarnt. Selbst Hunde mit Basedow sehen hier so hinreißend aus, dass man sofort einer Meinung mit Loriot ist, der meint: Sicher, man könne ohne Mops leben – nur lohne es sich nicht. Was soll man erst bei einem Terrier sagen?
BRIGITTE WERNEBURG
Pablo raucht
Antonio dal Masetto: „Unten sind ein paar Typen“. Rotpunktverlag, 16 Euro
Argentinien 1978, am Vorabend des Endspiels zur Fußball-WM. Pablo ist Journalist. Sein Telefon funktioniert mal und dann auch wieder nicht. Der Strom fällt aus, und was will der Portier im Treppenhaus? Vor dem Mietshaus im Zentrum von Buenos Aires parkieren verdächtige Autos. Pablo fühlt sich von rumstehenden Männern beobachtet. Geheimpolizei?
Ana raucht eine Zigarette nach der anderen, Pablo macht Spaghetti, kauft Wein. Raucht. Eine Razzia im Lokal, Jüngere werden verhaftet. Pablo fühlt sich überwacht. Er treibt durch die große Stadt, streift die Corrientes hinauf, schwingt sich in letzter Sekunde auf das Trittbrett eines vorbeiknatternden Busses. Er traut sich nicht mehr nach Hause, schläft im Hotel. Der Standard einfacher Pensionen ist tief: keine Heizung, Fenster zum Innenhof. Es ist kalt im Juni, im südamerikanischen Winter 1978 in Buenos Aires. Pablo trinkt Kaffee. Und raucht. Ist er auf der Flucht, bildet er sich alles nur ein? Ana raucht, aber bald nicht mehr zusammen mit Pablo. Die Situation wird unkontrollierbar. Ein Auto bremst, Glas splittert. Pablo versteckt sich in einem Hauseingang. Er schaut um die Ecke, aber da ist nichts. Er kauft Zigaretten, fährt Taxi. Wohin?
„Unten sind ein paar Typen“ heißt die im Rotpunktverlag erschienene Erzählung des Schriftstellers Antonio dal Masetto. Er schreibt in knapper Prosa über die Zeit der letzten argentinischen Diktatur. Kurze präzise Szenen und Dialoge, der Einzelne in der euphorisierten Masse und mit sich selbst. Literarischer Existenzialismus, Film Noir, eine kleine Geschichte vor großer Kulisse. ANDREAS FANIZADEH
Handwarm
Zwei Taschenwärmer „Magic Heat“, aus dem Outdoor-Laden, 7,95 Euro
Der Mensch hat ein Grundbedürfnis nach Wärme, oder zumindest nach angenehmer Körpertemperatur. Deshalb lohnt es sich immer, auch auf den letzten Drücker, noch Produkte zu kaufen, die die Temperaturregulierung fördern. Ein völlig unterschätzer Artikel im Kampf gegen die Saukälte ist der Taschenwärmer, dieses kleine Kunststoffkissen, gefüllt mit seltsamen Glibber und einem fragilen Metallplättchen. Das Plättchen knickt man nach Bedarf um, wodurch chemische Prozesse in Gang gesetzt werden, die zur Erwärmung des Glibbers führen. Lautlos und effizient läuft das ab. Die zähe Flüssigkeit erstarrt und heizt die Hände. Man kann sie daraufhin ausgewählten Menschen unter die Wollpullover schieben, die Hände, ohne dass es ein Riesengeschrei gibt. Oder man lässt das Fummeln sein und denkt bloß abstrakt über Liebe und Sex nach. Wärme entspannt einen, manchmal bis in ein Stadium der Gleichgültigkeit hinein. Dieses Kunststoffkissen kann übrigens sehr heiß werden. Und man kann es immer wieder benutzen, indem man es im Kochtopf mit den nötigen Grad Celsius zurück in den semiflüssigen Ausgangszustand befördert. JOANNA ITZEK
Durch die Nacht
„Theme Time Radio“ hour with host Bob Dylan auf XM Satellite Radio, 10 Dollar im Abo
Etwa zehn Dollar monatlich kostet ein Abonnement des US-amerikanischen Radiosenders XM Satellite Radio, übers Internet (www.xmradio.com) sind die erforderlichen Schritte recht leicht zu bewerkstelligen. Übers Internet oder über eine Satellitenschüssel ist das vor allem in Washington, D.C. und New York hergestellte Pay-Programm (keine Werbung!) denn auch zu empfangen – eine Art HBO für Radiohörer. Hierzulande bekannt und bejubelt wurde der Sender zuletzt vor allem wegen der tatsächlich ja auch tollen „Theme Time“-Radioshow von und mit Bob Dylan – „It’s night time in the big city …“ – Der Literaturwissenschaftler Heinrich Detering hat in der Oktober-Ausgabe der Zeitschrift Merkur darüber unter dem ebenso treffenden wie großartigen Titel „Des alten Knaben Wunderhorn“ einen schönen Essay geschrieben. Im taz-Umfeld gingen Raubkopien der einzelnen Sendungen von Hand zu Hand. Ein XM-Abo würde nun nicht nur eine Legalisierung dieser Praxis ermöglichen, sondern auch einen hübschen Distinktionsgewinn: Während die Masse der deutschen Hochkulturkonsumenten die angeblich so kulturlosen USA schmähen, genießt der Kenner ihre wirklich innovativen Kulturprodukte. Am zweiten Weihnachtstag läuft übrigens die 13. Folge der 2. Season von Dylans Radioshow.
DIRK KNIPPHALS