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Archiv-Artikel

Praxistest für die Zukunft

50 JAHRE EUROPACENTER

Je großstädtischer die Umgebung, desto angestaubter das Europa-Center

Willy Brandt war da, als es am 2. April 1965 eröffnet wurde, Michael Müller kam zum Fünfzigsten. „Ich bin genau so alt wie das Europa-Center“, ließ der Regierende Bürgermeister eine RBB-Reporterin wissen, und erinnerte an die Eisbahn, damals wohl die größte Attraktion im ohnehin attraktiven, weil amerikanischen Symbol des neuen, modernen, weltoffenen Westberlins.

Doch das ist Geschichte. Die Eisbahn wurde schon 1979 geschlossen, heute verlieren sich ein paar Touristen und ältere Berliner in dem weitläufigen kaskadenartigen Restaurant, das an ihrer Stelle steht. Vom Aufbruch in die Moderne ist nicht viel geblieben im Europa-Center. Daran konnte auch die Geburtstagsfeier wenig ändern. Und auch nicht Geschäftsführer Uwe Timm, der sagte, das denkmalgeschützte Europa-Center habe nicht nur eine Vergangenheit, sondern auch eine Gegenwart.

Ganz anders das Bikini-Haus. Seit seiner Rundumerneuerung und Wiedereröffnung im vergangenen Jahr ist dort wieder jener Wind zu spüren, der die Moderne nach Westberlin geweht hat. Luftig ist es dort wieder statt düster und muchtig wie im Europa-Center. Es lässt sich wunderbar flanieren, der Blick aufs Affengehege im Zoo ist schon Kult. Ganz schön viel Gegenwart also im ehemaligen Zentrum am Zoo, das fast zehn Jahre mehr auf dem Buckel hat als das Europa-Center.

Aber hat es auch eine Zukunft? Gerade erst hat das größte Restaurant im Bikini-Haus dicht gemacht, der Kundenandrang ist vor allem an Wochentagen überschaubar. Wie viel Luft wird die Bayerische Hausbau als Investor haben, bis dort auch die immergleichen Filialisten einziehen?

So ist der 50. Geburtstag des Europa-Centers auch eine Art Praxisttest der Zukunftstauglichkeit im alten Herzen der Teilstadt Westberlin. Es wäre zu wünschen, dass mit dem neuen Boom im Westen auch das Europa-Center den Weg des Bikini-Hauses geht. Oder der Terrassen am Zoo, die dort bald wieder öffnen werden. Denn wenn rund um den Hardenbergplatz bald wieder großstädtische Atmosphäre herrscht, wird das Center zum 55. Geburtstag noch angestaubter wirken. UWE RADA