: „Ein reines, scharfes Schwert“
„Besessen“ statt vergessen: Carl Nielsens Konzert für Flöte und Orchester, gespielt von Pahud und der Deutschen Kammerphilharmonie zugunsten von Unicef
160.000 Euro waren schon zusammen gekommen, und nach dem Konzertabend der Deutschen Kammerphilharmonie in der Glocke zugunsten von Unicef, für den alle beteiligten MusikerInnen auf die Hälfte ihrer Gage verzichteten, konnten weitere 24.000 Euro gezählt werden.
Unicef-Botschafterin Sabine Christiansen dankte im bremischen Partnerschaftsjahr der Unicef für einen derartig hohen Betrag: „Das müssen die anderen Städte erst mal schaffen.“ Das Geld kommt drei ausgewählten Hilfsprojekten zu Gute: für an Aids erkrankte Kinder in Afrika, durch Landminen verletzte Kinder in Kambodscha und für durch Beschneidung verstümmelte Mädchen im Senegal.
Es ist natürlich fabelhaft, wenn solche Hilfsprojekte durch InterpretInnen auf hohem Niveau gestützt werden, wahrscheinlich können die Menschen noch einmal ganz anders sensibilisiert werden als wie das in Orgel- oder Schulkonzerten der Fall ist (was diese selbstverständlich nicht abwerten will). An diesem Abend also in Anwesenheit der herzlichst begrüssten Sabine Christiansen: der Flötist Emmanuel Pahud und die Deutsche Kammerphilharmonie unter ihrem Chefdirigenten Daniel Harding.
Selten gespielt, und deswegen eine Entdeckung: das Konzert für Flöte und Orchester von Carl Nielsen (1865-1931), das einmal mehr zeigte, dass die Musik des dänischen Komponisten – von der Max Brod sagte, er sei von ihr „besessen“ – zu Unrecht vergessen ist. Seine Musik will sein „wie ein reines und scharfes Schwert, schneidend und leicht fasslich“, wie er einmal sagte. Sein lichtes Alterswerk, das Flötenkonzert, zeigt einen ganz eigenen neoklassizistischen Ton, der natürlich in allerbesten Händen bei dem Schweizer Flötisten war.
Nach dem erregten Stück spielte Pahud noch das Andante von Mozart und eine kleine Etüdenzugabe, vor deren technischer Schwierigkeit nicht wenigen der Mund offen stehen blieb. Kein Problem für den hochbejubelten Pahud, der alles zu können schien.
Die schwungvolle Wiedergabe der Eroica-Sinfonie von Ludwig van Beethoven geriet dem Orchester und Harding zur Sternstunde, so mitreißend hielt der junge Dirigent gut gewählte Tempi durch, steuerte auf gut disponierte Höhepunkte zu, setzte unter alle strahlende Sinfonik ein facettenreiches kammermusikalisches Spiel. Nicht ganz auf diesem Niveau war die Sinfonie „La Poule“ von Haydn, deren permanente formale und harmonische Überraschungen mehr Profil und Pfiffigkeit verlangt hätten. Besonders der langsame Satz geriet viel zu unruhig, was bei Harding öfters mal vorkommt. Unterm Strich jedoch: wieder einmal ein begeisterndes Konzert.
Ute Schalz-Laurenze
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