: Angst vor neuen Wegen? –betr.: „Bergmann lehnt Gehalt für Erziehung ab“, taz vom 28.12.98
Die Ablehnung eines „Familien- beziehungsweise Erziehungsgehalts“ durch Bundesfamilienministerin Bergmann steht auf tönernen Füßen. Ihre Angst, ein solches Gehalt könnte dazu dienen, „Frauen vom Erwerbsleben fernzuhalten“, verkennt eine Tatsache: Gegenwärtig sind rund 60 Prozent der Mütter mit Kindern bis sieben Jahre nicht erwerbstätig beziehungsweise können es nicht sein. Die Sorge der Bundesfamilienministerin geht daher an der Lebenswirklichkeit der meisten Mütter vorbei. Darüber hinaus müßte Frau Bergmann konsequenterweise die Pflegeversicherung ablehnen, die pflegenden Angehörigen – in der Regel Frauen – monatlich bis zu 1.300 Mark bezahlt inklusive sozialer Absicherung.
Das Rezept, das die Ministerin den Familien zu bieten hat, lautet: „Elternurlaub“, das Recht auf Teilzeitarbeit auch für Männer und der Ausbau der öffentlichen Kinderbetreuung. Der Ausbau der öffentlichen Kinderbetreuung ist sicherlich notwendig. Er hilft den erwerbslosen Müttern jedoch kaum weiter, solange die Erwerbslosigkeit auf Rekordhöhen verweilt. Nur wenn es gelingt, die vollerwerbstätigen Männer im großen Umfang zur Teilzeitarbeit zu bewegen, dürften sich die Chancen der Mütter verbessern. Tatsächlich sind immer mehr Väter zur Arbeitszeitreduktion bereit, damit sie mehr von ihren Kindern haben. Die meisten Familien können sich den damit verbundenen Einkommensausfall allerdings kaum leisten. [...] Ein „Erziehungsgehalt“, wie es Fachleute vorgeschlagen, oder ein „Familiengehalt“, wie es die Sozialausschüsse der CDU (CDA) kürzlich gefordert haben, erscheint da vielversprechender. Ein möglicher Lohnausfall durch individuelle Arbeitszeitverkürzung würde in jedem Fall kompensiert. [...] Kostas Petropulos, Tübingen
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