Angeblicher Milliarden-Verlust an Börse: Schwäbischer Patron im Spielerpech
Ratiopharm-Gründer Merckle soll auf fallende VW-Aktien gesetzt haben, als die Kurse in die Höhe schossen - und so rund eine Milliarde Euro verzockt haben.
Rund eine Milliarde Euro soll Adolf Merckle an der Börse verzockt haben. Der "Pate aus Blaubeuren" (manager magazin), der einem Firmenimperium u. a. mit den Flaggschiffen Ratiopharm Gruppe und Heidelberg Cement AG vorsteht, habe nämlich auf fallende Volkswagenaktien spekuliert, als die Kurse des größten Automobilkonzerns der Welt explodierten, vermeldete die FAZ. Und während sich die treuen Shareholder der VW AG über gigantische Kursgewinne freuten - die Aktie wurde zeitweise mit über 1.000 Euro gehandelt -, gab es beim Bundesverdienstkreuzträger am Abend danach nur noch Spätzle mit Linsen.
Ein Unglück kommt selten allein. Patron Merckle muss jetzt vielleicht sogar sein Vorzeigeunternehmen Ratiopharm verkaufen, um den prognostizierten Bilanzverlust von Heidelberg Cement wieder auszugleichen, wie Blätter in Baden-Württemberg berichten. Interesse an Ratiopharm mit seinen 5.400 Mitarbeitern hätten jedenfalls schon der französische Pharmakonzern Sanofi-Aventis und der israelische Arzneiproduzent Teva signalisiert.
Adolf Merckle, die arme Sau also? Mitnichten. Er könnte die mutwillig verspielte Milliarde wohl mit einem einzigen Griff in seine Portokasse begleichen. Denn laut Forbes ist Merckle mit einem Vermögen von rund 12,8 Milliarden Dollar der viertreichste Mensch in Deutschland. Doch sein Privatvermögen will der gläubige Katholik und begeisterte Bergsteiger offenbar nicht antasten. Auch seine Söhne hält der Clanchef knapp. Der zweitmächtigste Mann im Konzern ist sein "Ziehsohn" Bernd Scheifele (49), der Heidelberg Cement als Vorstandsboss leitet und in Personalunion Aufsichtsratschef bei Ratiopharm und bei dem auch zum Konzern gehörenden Pharmagroßhändler Phönix ist. Sohn Philipp Daniel war unter Scheifele nur Geschäftsführer von Ratiopharm und wurde im März 2008 - angeblich nach Familienstreitigkeiten - von seinen Aufgaben "entbunden". Sohn Ludwig steht noch der Vermögensverwaltungsgesellschaft VEM Holding GmbH vor.
Widerspruch soll der Patriarch, der in seinen Unternehmen frauen- und familienfreundliche Strukturen umgesetzt hat und auch schon einmal Geld in erneuerbare Energien investiert, nicht dulden, heißt es in Ulm und um Ulm herum. Und ein "Prozesshansel" sei er noch dazu. Dem Ehrenbürger von Blaubeuren, dessen Ehefrau Ruth (71) aus der Ulmer Zementdynastie Schwenk/Schleicher stammt, wurde bislang nachgesagt, dass er "aus Scheiße Gold machen" könne. "Der Merckle dreht eine Kupfermünze so lange in der Hand, bis er sie als Kupferdraht verkaufen kann", hieß es bewundernd. Das war - gestern.
KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?