Ampeln in der Kritik: Langes Rot und kurzes Grün
Umwelt- und Verkehrsverbände halten viele Ampelanlagen für fußgängerfeindlich. Entsprechende Modellprojekte des Senats finden sie "nicht zielführend".
Berlin war mal ganz vorn dabei in Sachen Verkehrsregelung: Die Ampel am Potsdamer Platz, die ab 1924 den wachsenden Strom von Autos regulierte, war die zweite ihrer Art in Deutschland. Heute gibt es in Berlin gut 2.000 Ampelanlagen, und der Verkehr hat immer weiter zugenommen – aber auf dem neuesten Stand der Technik ist die Stadt schon lange nicht mehr. Umwelt- und Verkehrsverbände kritisieren diesen Innovationsstau.
„Viele Ampeln in Berlin sind fehlgesteuert“, sagt Martin Schlegel, Berliner Referent für Verkehrspolitik beim Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND). Das gehe vor allem auf Kosten von Sicherheit und Komfort der Fußgänger. Bis zu zwei Minuten müssten diese an einigen Anlagen auf die Grünphase warten – manchmal hätten sie auch nicht genug Zeit, eine breite Straße weiter als bis zur Mittelinsel zu überqueren. „Häufige Ärgernisse, die angegangen werden müssen“, findet Schlegel.
Um besonders fußgängerfeindliche Ampeln zu ermitteln, hat der BUND in den vergangenen Wochen eine Umfrage durchgeführt. 256 Meldungen gingen bei dem Verband ein, die meisten betrafen Friedrichshain-Kreuzberg. Allein sechsmal wurde die Kreuzung Frankfurter Allee/Jungstraße genannt, wo Fußgänger bei Rot geschlagene zwei Minuten warten müssen. Bei Ampeln mit zu kurzer Grünphase wurde die Kreuzung Mehringdamm/Gneisenaustraße am häufigsten gemeldet. Für die Fußgängerampeln am Ernst-Reuter-Platz hat eine studentische Arbeitsgruppe sogar schon konkrete Verbesserungsvorschläge entwickelt.
Post für den Staatssekretär
Außer langem Rot und kurzem Grün betrachten Fußgänger unsichere oder fehlende Überwege als größte Probleme. Eine Liste aller genannten Stellen ließ der BUND am Montag Christian Gaebler (SPD) zukommen, dem Verkehrsstaatssekretär in der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung.
Natürlich will auch der Senat den Fußgängern nur Gutes: Im Interesse einer nachhaltigen Stadtentwicklung wurde im Juli 2011 eine eigene Fußverkehrsstrategie vorgestellt, um die Zufriedenheit der Fußgänger zu erhöhen und die Zahl der Unfälle zu senken. Erste Modellprojekte sollen in diesem November starten. An zwei Kreuzungen in Mitte werden dann blinkende Ampeln den Fußgängern anzeigen, dass die Grünphase sich dem Ende zuneigt. Auch der Einsatz von Countdown-Ampeln ist geplant, die die restliche Rot- bzw. Grünzeit in Sekunden sichtbar machen. „Das gibt den Fußgängern Sicherheit“, sagt Petra Rohland, Sprecherin der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung.
Dem BUND gehen diese Maßnahmen nicht weit genug: „Mit der Strategie an sich sind wir sehr zufrieden, aber die Modellprojekte sind nicht zielführend“, kritisiert Martin Schlegel die Pläne. Das vorhandene Geld sei falsch angelegt. „Viel effektiver“ sind laut Schlegel verkehrsgesteuerte Ampeln, die ihre Schaltzeiten der realen Verkehrslage anpassen. Während andere Städte ausschließlich solche Ampeln nutzten, gebe es in Berlin davon viel zu wenige.
Weiteren Bedarf für politisches Handeln sieht auch Heiko Balsmeyer vom Verkehrsclub Deutschland (VCD). Die Kritik des BUND teilt er uneingeschränkt. Zwar seien Fußgänger mit der Berliner Fußverkehrsstrategie erstmals als Verkehrsteilnehmer wahrgenommen worden, die Modellprojekte reichten aber nicht aus: „Um Berlin gehenswert zu machen, fehlt eine allgemeine Strategie. Dafür müsste man aber eine Menge Geld in die Hand nehmen.“
Hier die Liste der vom BUND beanstandeten Ampeln.
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