: Altstalinist Ribanszki will neue kommunistische Partei
Da staunten die festlich gekleideten Versammelten nicht schlecht, als der Altstalinist Robert Ribanszki auf dem Empfang erschien, mit dem der „Sender Freies Europa“ in der letzten Woche die Eröffnung seines Budapester Büros feierte. Und ausgerechnet so einer kam, der über Jahrzehnte hinweg den Münchner Sender als Ausbund des imperialistischen Teufels beschimpft hatte. Doch Ribanszki scheut heutzutage auch den Beelzebub nicht mehr, um sich ins öffentliche Gerede zu bringen. Mit Äußerungen wie der, er könne jederzeit die jetzige Führungsriege verhaften lassen, ist ihm das gelungen. Seitdem rätseln die Budapester, ob er ein politischer Scharlatan oder wirklich ein gefährlicher Mann ist.
Auf dem Parteitag wird er noch nicht auftreten, aber seine Zeit, so stellt er im offiziellen Pressebüro 'Pressinform‘ gegenüber der taz klar, wird noch kommen. Seine „marxistische Einheitsplattform“ habe schon jetzt Tausende von Mitgliedern, und täglich würden es mehr. „Alles, wofür wir gekämpft haben, wird jetzt von diesen sogenannten Reformern leichtfertig aufs Spiel gesetzt. Sie begehen einen Fehler nach dem anderen.“ Er macht eine Pause und nuckelt an seiner Zigarre - „aus Kuba“, wie er lächelnd anmerkt. Gegen eine Reform, so fährt er fort, habe er gar nichts. Doch alles müsse mit Sinn und Maß geschehen, müsse in eine Gesamtstrategie der Partei eingebettet sein. Schließlich habe Kadar auch Reformen durchgeführt und eine erfolgreiche Politik dazu. Seine Stimme wird scharf: „Und diese Leute haben keine. Sie wollen sich nur in den Vordergrund drängen, sie sind reine Opportunisten.“ Tief sitzt bei ihm der Groll über Kadars Sturz.
Aus einer kommunistischen Bergarbeiterfamilie stammend, ist sein persönlicher Aufstieg mit dem Wohl und Wehe der Partei eng verknüpft. Schon 1950 mit 17 Jahren in die Partei eingetreten, stellte er sich während der „Konterrevolution“ von 1956 eindeutig auf die Seite Kadars und wurde als sehr junger Mann dessen persönlicher Sekretär. Sich dem Willen der Partei unterzuordnen sei auch ihm nicht immer leichtgefallen, betont er. „Ich will ja nicht selbstgefällig sein“, fährt er mit leiser Stimme fort und streicht sich über die Glatze, „ich war immer bei den Parteimitgliedern und im Volk beliebt. Ich bin überall hingefahren, habe mit allen diskutiert. Das hat mir bei den Bürokraten nicht immer nur Freunde eingebracht.“
1968 bekam er Schwierigkeiten als Sekretär des Zentralkomitees für die Jugendorganisation, später, als Bezirksvorsitzender des Industrievorortes von Budapest, Czepel, konnte er sich nur dadurch eines Sturzes entziehen, daß er 1975 als Botschafter nach China ging. Nach sieben Jahren zurückgekehrt, wurde er schließlich Führungsmitglied der „Patriotischen Volksfront“ unter dem Reformer Imre Pozsgay, der jetzt in aller Munde ist und den er - das spricht aus allem, was er sagt - partout nicht ausstehen kann. Vielleicht weil er früher selbst schon einmal als Nachfolger Kadars gehandelt wurde?
Mit der schönen Perspektive, Parteichef zu werden, wird es wohl nichts mehr. Die haben die „Reformisten“ ihm wohl endgültig verdorben. Vor allem Grosz hat es ihm angetan, weil er Kadar kaltstellen und Leute wie Pozsgay hochkommen ließ. Sein gedrungener Körper zieht sich zusammen: „Durch Manipulationen haben diese Leute die einfachen Parteimitglieder übers Ohr gehauen, um den Kommunismus in Ungarn auszulöschen und die Macht der Partei zu untergraben.“ Bei den Wahlen zum Parteitag habe sich gezeigt, daß die „Reformisten“ nur knappe Mehrheiten in den Grundgliederungen der Partei auf sich vereinigen. Und das sei die Chance, den kommunistischen Widerstand zu organisieren. Ribanszki senkt seine Stimme und wird vertraulich: Selbst US-Präsident Bush, so wisse er aus sicheren Quellen, halte, im Gegensatz zu seinem Botschafter in Budapest, den Sieg der Reformer auf lange Sicht für fraglich.
Hat Ribanszki tatsächlich die Kraft, das Rad der Geschichte zurückzudrehen? Sicher sind in seiner Formation ein Teil der Arbeitermilizen, die Pensionäre von der traditionalistischen Ferenc-Muennich-Gesellschaft, die Ewiggestrigen im Apparat, vielleicht auch der Geheimdienst anzutreffen. Den offenen Machtkampf kann er mit solchen Truppen aber doch nicht wagen. Seine Publicity-Show deutet in die Zukunft. Will er sich doch als Führer einer neuen kommunistischen Partei anbieten? Er selbst weicht den konkreten Fragen aus und deutet nur dunkel an, er sei immer noch ein Bewunderer von Maos Kulturrevolution geblieben. Doch Budapest ist ja nicht Peking.
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