: Algerische Nationalkonferenz vor dem Scheitern
■ Am Eröffnungstag verließen zwei weitere Parteien die Versammlung / Ex-Außenminister Abdelaziz Bouteflika weigerte sich, Interimspräsident zu werden
Algier/Berlin (AP/AFP/dpa/ taz) – Die von der algerischen Führung einberufene Nationalkonferenz ist schon am ersten Tag so gut wie gescheitert. An der Veranstaltung, die eine Aussöhnung der vom Militär gestützten Regierung mit den politischen Parteien erreichen sollte, nahmen praktisch keine relevanten Gruppen teil. Nachdem die großen Parteien bereits im Vorfeld abgesagt hatten, verließen am Dienstag abend auch die aus zwölf kleineren Parteien bestehende „Sammlungsbewegung für eine Nationale Verfassung“ und die als einzige islamistische Gruppierung verbliebene Hamas die Tagung. „Die Konferenz hat jegliche politische Bedeutung verloren“, begründete Hamas- Präsident Mahfoud Nahnah den Auszug seiner Organisation.
Auf der Konferenz sollten ursprünglich ein Präsident und zwei Stellvertreter als Nachfolger des von den Militärs eingesetzten Hohen Staatsrates bestimmt werden. Dessen Mandat läuft Ende dieses Monats formell aus. Nunmehr wird damit gerechnet, daß der Staatsrat selbst einen Interimsstaatschef benennen wird. Im Gespräch war gestern Verteidigungsminister General Lamine Zeroual. Er hatte wiederholt erklärt, die Armee werde „bei einer Zuspitzung der Lage nicht untätig bleiben“, und die Parteien vor einem Boykott der Konferenz gewarnt. Der bisher als aussichtsreichster Kandidat für das Amt gehandelte frühere Außenminister Abdelaziz Bouteflika zog gestern nach Angaben eines Sprechers der Konferenz seine Zusage zurück. Über die Gründe für die Entscheidung wurde nichts bekannt.
Der Hohe Staatsrat war vor zwei Jahren für eine Übergangszeit eingesetzt worden, um einen Wahlsieg der „Islamischen Heilsfront“ (FIS) zu verhindern. Diese konnte nach dem ersten Durchgang der ersten freien algerischen Parlamentswahlen im Dezember 1991 mit einem eindeutigen Sieg in der zweiten Runde rechnen. Daraufhin wurden der Urnengang annulliert und die FIS verboten. Anschließend wurde der Staatsrat installiert sowie der Ausnahmezustand verhängt.
Gestern ging im Pariser dpa- Büro ein Schreiben eines „Hohen Rates der islamischen Streitkräfte“ ein. Darin wird ausländischen Regierungen, die die „Militärjunta“ in Algerien unterstützen, ab dem 1. Februar mit Anschlägen gegen ihre „diplomatischen Vertretungen und Interessen“ gedroht. Parteien und Persönlichkeiten in Algerien werden gewarnt, mit der Staatsführung zu verhandeln. Algerien stehe vor dem Bankrott, der „Prozeß der nationalen Befreiung“ sei im Gang. „Verräter“ müßten mit einer „exemplarischen Bestrafung“ rechnen.
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