Aktivistin über Frauen in Nordmazedonien: Verändern und unterstützen

Seit 2005 ist Nordmazedonien Kandidat für einen EU-Beitritt. Was dieser besonders für die Frauen im Land bedeuten könnte, erklärt Klelija Zhivkovikj hier und auf dem taz lab.

Frauen verschaffen sich Gehör beim Internationalen Frauentag in Skopje Foto: reuters

von TIGRAN PETROSYAN

taz: Frau Zhivkovikj, Sie haben 2018 die Frauenorganisation „Stella“ mitgegründet, ein Mentorinnen Netzwerk für Frauen in Nordmazedonien. Warum?

Klelija Zhivkovikj: Ich hatte beruflich und persönlich das Privileg, von Frauen betreut und unterstützt zu werden. Diesen Beziehungen verdanke ich viel. Ich hoffe, dass ich das Gleiche für die Mädchen und Frauen tun kann, die keinen Zugang zu Information, zu Bildung, zum Gesundheitswesen oder zum Arbeitsmarkt haben. Ich wollte aktiv werden. „Stella“ ist die größte Plattform von Frauen für Frauen. Das heißt: Wir sind füreinander da. Wir mobilisieren unsere Ressourcen für andere, die sie brauchen, um ihren Weg zu gehen.

Welche aktuellen Probleme haben Frauen in Nordmazedonien?

Die meisten Frauen kümmern sich vor allem um die Hausarbeit. Dies lässt ihnen kaum Raum, um etwas anderes zu machen. In unserem Land sind die traditionellen Geschlechterrollen noch sehr stark ausgeprägt. Es gibt wenig bis keine Unterstützung oder Aufklärung über Gleichberechtigung und das Hauswirtschaften wird nicht als Arbeit anerkannt. Diese Frauen gelten als wirtschaftlich „inaktiv“, sind also weder offiziell beschäftigt noch beschäftigungssuchend.

Diejenigen, die sich in Lohnarbeit begeben, werden wahrscheinlich keine Führungspositionen einnehmen, und wenn doch, werden sie schlechter bezahlt als ihre männlichen Kollegen. Besonders in den ländlichen Gebieten ist diese Lebensweise maßgebend. Genau das wollen wir ändern und Frauen unterstützen.

Wie kann ein EU-Beitritt die Lage der Frauen in Nordmazedonien verbessern?

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Es gäbe mehr institutionelle Unterstützung bei vielen Problemen, mit denen Frauen im Gesundheitswesen, im Justizsystem, in der Bildung konfrontiert sind. Die wesentlichen Änderungen müssen jedoch unabhängig vom EU-Beitritt erfolgen. Es reicht nicht, nur die formellen Auflagen für eine Mitgliedschaft zu erfüllen, um die Bedingungen für Frauen zu verbessern. Wir sehen das in vielen EU-Mitgliedsstaaten, in denen sich die Situation verschlechtert hat, trotz Mitgliedschaft.

Was bedeutet eine EU-Mitgliedschaft für Sie persönlich?

Ich habe eine Weile in Österreich gelebt, wo der ständige Druck durch die Aufenthaltsbürokratie mich ausgelaugt hat, selbst in meiner eher privilegierten Position. Dennoch bedeutet sie für mich eine Chance zur Mobilität, die ich herbeisehne. Zugleich sehe ich, wie die Frage der EU-Mitgliedschaft bei uns als Entschuldigung für den ­jetzigen Stillstand herhalten muss. Als ob sich alle Probleme einfacher lösen ließen, sobald das Land die Mitgliedschaft bekommt. Das stimmt nicht und ich bin sehr besorgt, wie sich unsere Zukunft entwickeln wird.

Warum ist die EU-Mitgliedschaft dann so wichtig?

Nachdem ich die Vorteile persönlich erfahren habe, die das Leben in der EU zu bieten hat, kann ich eine Entwicklung in diese Richtung wirklich nur unterstützen. Ich hoffe, dass wir uns von der Enge der nationalstaatlichen Existenz entfernen. Allerdings zweifle ich noch, ob die EU wirklich für eine solche Zukunft eintritt, ob die Balkanländer überhaupt ein Interesse oder die Fähigkeit haben, darüber nachzudenken, was dies für sie bedeuten könnte. Das macht die Mitgliedschaft nicht weniger wichtig, aber ich hoffe, dass die Beitrittsprozesse der Balkanländer dazu führen, dass sich beide Seiten weiterentwickeln und einander anpassen. Es ist dringend nötig, dass sich beide, die EU und Nordmazedonien, reformieren.