Agenda 2010 : Alles bunt? Logo.
Entschuldigen Sie,
ist das der Sonderzug nach Köln?
Ich muss mal eben dahin,
weil ich so mittelmäßig bin.
(frei nach Udo L.)
Weil ich immer nach oben und unten trete, solle ich lieber mit dem Fahrrad fahren, hat man mir nahe gelegt. Doch ich bin ohne ordentliches Doping leider nur ein mittelmäßiger Kurbler und ein ebensolcher Dauerläufer. Ich habe also meinen NRW-Regionalexpress verpasst und musste mit dem Karnevals-Sonderzug der Deutschen Bahn reisen. Vollgestopft mit Närrinnen und Narren, stillos verkleidet aus der Wäsche-Restekiste. Bevor sie erschrecken. Es geht nicht darum, die armen (man beachte die karnevalistische Doppeldeutigkeit) Ruhrpott-Jecken in der Bahn zu höhnen oder sich zu über jährlich wiederkehrenden besoffenen Frohsinn am Rosenmontag zu ereifern. Nein, es geht um Mittelmaß im allgemeinen, dem wahren Feind von Innovation und Politik, von Kunst und Wissenschaft – und der Europäischen Kulturhauptstadt 2010.
Logo, kein riesiger Gedanke. Aber beim Logo fängt eben alles an. Auch das gefährliche Mittelmaß. Besonders dann, wenn es zur handelbaren Marke mutieren soll – wie beim Projekt der kulturellen Verwandlung des Ruhrgebiets. Das überall angeklebte, aufgedruckte Signet, neudeutsch „Corporate Design“, sollte per Definition prägnant und wiedererkennbar sein. Deshalb entschlossen sich die Metropolen-Macher sich in der letzten Woche im Revier zu einem harten Schnitt. Das Logo der Europäischen Kulturhauptstadt 2010 wurde überarbeitet. Grandioser Einfall: Aus „Ruhrgebiet 2010“ wurde „Ruhr2010“. Die alte Bezeichnung sei „international nur schwer vermittelbar“ gewesen, sagte der Geschäftsführer der Ruhr 2010 GmbH, Fritz Pleitgen. Auch soll niemand mehr „zwanzigzehn“ sagen. Es heißt jetzt „zweitausendzehn“. Punktum. Was diese Innovation auf dem Logomarkt gekostet hat, ist noch nicht bekannt. Sicher ist aber: Ab sofort wird ein Missbrauch des Zeichens juristisch verfolgt. Denn damit will man richtig Kasse machen und das schmale 48 Millionen Budget aufstocken. Gerade Reiseveranstalter sollen schon jetzt Schlange stehen.
Dummerweise hat man das eigentliche Signet nicht überarbeitet. Denn die stilisierten bunten Fähnchen, die den Umriss eines ausgebeulten Ruhrgebiets abbilden, waren nie ein grafischer Reißer und werden als Merchandising auf privaten T-Shirts oder Tassen wohl nur ein mittelmäßiger Renner werden. Wenn das mit dem Programm zur Kulturhauptstadt auch so wird, dann droht der Supergau. Kein Scheinwerfer wird sich auf das Ruhrgebiet richten. Das Licht kommt wieder unter den Scheffel – bis es einer ganz ausbläst. Irgendwann. Merken wird das niemand mehr.
PETER ORTMANN