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Absurd? Betr.: Kommentar „Zeitlos peinlich“, taz vom 17. Juli 1995

Ich gehöre zu den Überlebenden des Nazi-Widerstandes, bin aber von dem Nach-Nazi-Gefängnis auf dem Gelände des KZ Neuengamme in meinen Gefühlen gar nicht verletzt. Etliche meiner persönlichen Freunde und Genossen sind in Nazi-KZ umgekommen; mein Freund Wilhelm Heidsiek wurde im Herbst 1944 in Neuengamme ermordet. Ich kenne und kannte keinen meiner Altersgenossen, der diese „Nachbarschaft“ von früherem KZ und jetzigem Gefängnis nach dem Kriege abgelehnt hätte. Ich habe den Bau des Gefängnisses nach dem Krieg unterstützt, in der Absicht, dem Verbrechen der Nazis eine Institution des Rechtsstaates entgegenzustellen.

Klar, Ihnen, den Nachgeborenen, werden diese altmodischen Überlegungen absurd klingen. Aber uns war die Nazizeit Nicht-vergehende-Gegenwart. Ihnen sind die KZ-Gedenkstätten grausame, aber museale Mahnmale, die es zu pflegen gilt. Da nimmt sich auch ein neues Gefängnis nicht schön aus! Noch eine Anmerkung: Mir scheint der Ausbau nicht nur der „großen“ KZ, sondern auch der überall im Lande verstreuten (verniedlicht) „Außenstellen“ dem Gedenken sinnvoller als eine zentrale Kranzablegestelle für offizielle Besucher in Berlin.

Freundliche Grüße sendet Ihnen

Ihr Hellmut Kalbitzer

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