Abschied der Weltfußballerin Birgit Prinz: „Bloß keinen Schnickschnack“
Birgit Prinz hängt die Stollen an den Nagel. Die erfolgreichste Fußballerin der Welt wird mit einem Spiel zwischen dem dem 1. FFC Frankfurt und der Nationalmannschaft verabschiedet.
BERLIN taz | Immer wieder erklang am Montag beinahe kindliches Gekicher von den schwarz gepolsterten Sitzen im Sepp-Herberger-Raum der DFB-Zentrale. Birgit Prinz und Steffi Jones, die prominentesten Gesichter, die der deutsche Frauenfußball zu bieten hat, hatten auf dem Podium erkennbar viel Freude und Spaß. Der letzte Vorhang für Birgit Prinz könnte demnach tatsächlich jener „nette Abend“ werden, den sich die erfolgreichste Fußballerin der Welt für ihr heutiges Abschiedsspiel (Mittwoch, 18 Uhr, Europort) erhofft.
Eine Halbzeit wird die 34-Jährige im Trikot ihres Stammvereins 1. FFC Frankfurt auflaufen, dann den Dress der aktuellen Frauen-Nationalmannschaft tragen, die eigens zu Ehren der Mittelstürmerin eine spezielle Kollektion mit der Nummer 9 entworfen hat. Auf Wunsch der Ausnahmekönnerin dürfen noch ehemalige Weggefährtinnen wie Steffi Jones, Doris Fitschen, Renate Lingor oder Hege Riise aus ihrer USA-Zeit in Carolina mitmischen.
Gespielt wird am im Umbau befindlichen Bornheimer Hang, der Spielstätte des Zweitligisten FSV Frankfurt. Da hat Birgit Prinz im Alter von 15 Jahren mit einer Sondererlaubnis den Sprung in die Frauen-Bundesliga geschafft. Fast zwei Jahrzehnte später fungiert ihr Vater Stefan, der in jungen Jahren nicht das Trampolinturnen, sondern den Fußball seiner Tochter unterstützte, heute als Ko-Trainer.
Fröhliche Emotionen und nachdenkliche Momente will Birgit Prinz auf sich einwirken lassen, „aber ich verspüre keinerlei Wehmut mehr“. Nicht nur die heutige DFB-Direktorin Steffi Jones sieht die dreimalige Weltfußballerin, zweimalige Welt- und dreimalige Europameisterin mit den sagenhaften 128 Toren in 214 Länderspiele als „Lichtgestalt des Frauenfußballs“ an, der auch aus dem Männerbereich nur verbale Kränze geflochten werden.
Wenn Brigit Prinz von DFB-Boss Wolfgang Niersbach („Qualitätssiegel in der ganzen Welt“), Franz Beckenbauer („hervorragende Repräsentantin“) oder Joachim Löw („stets ein Teamplayer“) belobigt wird, dann auch deshalb, weil sie zeit ihrer Karriere als Idol mit Prinzipien unterwegs war. Begleitet von ihrem Credo: „Es war nicht mein Lebensentwurf, im Mittelpunkt der Öffentlichkeit zu stehen.“
Tiefgründig und unbeugsam
Also gab die gebürtige Frankfurterin den Gegenentwurf zu vielen Selbstdarstellern ab: selbstkritisch und allürenfrei, nachdenklich und fordernd, tiefgründig und unbeugsam. „Ich sehe es bis heute als Gewinn an, einige ihrer Gedanken in meine einfließen zu lassen“, erzählt etwa ihre langjährige Mitspielerin Nadine Angerer.
Als die zielstrebige Torjägerin in jungen Jahren ein Angebot des italienischen Männer-Erstligisten AC Perugia erhielt und darüber auch ernsthaft verhandelte („eine coole Gelegenheit, viel Geld zu verdienen“), da ahnte sie nicht, welche Medienlawine sie damit auslöste.
Genau so fühlte sich die Sportlerin vergangenen Sommer erneut überrollt, als der angedachte krönende Abschluss bei der Heim-WM mit einem vielfach beleuchteten Missverständnis endete. „Ich hätte vielleicht nicht den Anspruch haben sollen, alles ganz perfekt zu machen“, sagt sie rückblickend.
„Ich habe niemand verprügelt“
Der Streit mit Bundestrainerin Silvia Neid ist beigelegt; die Bilder von der Auswechslung gegen Nigeria hat sie nie gesehen, aber sie insistiert, dass die Emotion damals einfach rausmusste. Und: „Ich war nicht ausfällig, ich war nicht unflätig, ich habe niemand verprügelt.“
Derzeit hospitiert die studierte Psychologin bei der TSG Hoffenheim und assistiert drei Tage die Woche dem dort angestellten Sportpsychologen Jan Mayer. Dreimal in der Woche trainiert sie zusätzlich beim dortigen Frauen-Zweitligisten mit – das Schnupperpaket im Kraichgau beschreibt sie als „berufliche Orientierungsphase.“ Denkbar sei ab Sommer ein „Baukastensystem, bei dem ich mich in verschiedenen Bereichen bewege“. Auch in irgendeiner beratenden Funktion beim 1. FFC Frankfurt, wo ihr persönlicher Vermarkter Siegfried Dietrich die Strippen zieht.
Keine Alternative ist kurz- und mittelfristig der Einstieg ins Trainergeschäft, „das ist nicht mein nächster Karriereschritt“, stellte Birgit Prinz gestern heraus, da sei sie zuletzt fehlinterpretiert worden. Medienvertreter sind beim „Birgit-Prinz-Abend“ in einem eigens errichteten Festzelt nach dem Abschiedsspiel übrigens nicht erwünscht. Und typisch für Birgit Prinz, welchen explizit letzten Wunsch sie für ihren finalen Auftritt nennt: „Es soll bloß nicht zu viel Schnickschnack außen herum laufen.“
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