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Archiv-Artikel

AUSBILDUNGSPAKT: DIE ARBEITGEBER HABEN IHR PLANSOLL ERFÜLLT Keine Antwort auf die Krise

Erst die gute Nachricht: Die Arbeitgeber haben Wort gehalten und viele neue Ausbildungs- und Praktikumsplätze geschaffen. Wer die Entwicklung seit Juni, als Arbeitgeber und Regierung den Ausbildungspakt schlossen, verfolgt hat, darf nun angenehm überrascht sein. Denn seither wurde, wohlgemerkt, nicht nur die Zahl der vernichteten Ausbildungsplätze kompensiert. Es wurden sogar tatsächlich 15.000 zusätzliche Ausbildungsplätze geschaffen. Man mag also ein kleines „Bravo“ in Richtung Arbeitgebervertreter hauchen, die ihre Verbandsmitglieder offensichtlich zu der politischen Entscheidung gedrängt haben, Jugendliche von der Straße zu holen.

Jetzt also die schlechte Nachricht: 1,3 Millionen junge Leute zwischen 20 und 29 sind ohne jede Berufsausbildung. Die Quote der Schulabgänger, die einen ordentlichen Ausbildungsplatz bekommen, sinkt seit Jahren. Das traditionelle duale System, das Berufspraxis mit Schultheorie zu einem anerkannten Ausbildungsberuf verbindet, verliert an Leistungsfähigkeit. Der Staat kann die Jugendlichen, die nicht im dualen System unterkommen, nur in Warteschleifen kreisen oder in Ersatzmaßnahmen parken lassen. Doch damit versieht er diese Jugendlichen, ohne es zu beabsichtigen, schon mit dem Gefühl und dem Stigma der Ungewollten und Nichtgebrauchten. Treten sie wieder zur Bewerbung um eine richtige Lehre an, stehen sie von vorneherein in der zweiten Reihe.

Der Effekt der guten Nachricht ist also eher bescheiden, jener der schlechten dagegen gewaltig. Die Arbeitgeber haben zwar in diesem Jahr ihr Soll erfüllt. Dieses Soll war aber auch eng definiert. Nach dem katastrophalen Ausbildungsjahr 2003 konnte es eigentlich nur besser werden. Auf die Krise des dualen Systems haben die Arbeitgeber keine Antwort. Dass es Sache der Wirtschaft ist, sich selbst den hoch motivierten und gut ausgebildeten Nachwuchs heranzuzüchten, hat man von ihren Vertretern noch nicht gehört. Stattdessen machen sie genau das, was sie anderen gerne und wortreich vorwerfen: Sie verlangen vom Staat, dass er ihre Probleme löst. ULRIKE WINKELMANN