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Archiv-Artikel

AUF EIN TELEFONAT MIT KATJA KIPPING VON DEN LINKEN Warum sind Ihre Haare rot?

PETER UNFRIED

Katja Kipping, Vorsitzende der Partei Die Linken, hat genug davon, dass Journalisten immer nur nach Mehrheiten fragen und nie nach Inhalten oder gar danach, wie wir leben wollen. Völlig richtig, das muss anders werden. Also raus mit einer inhaltlich-existenziellen Frage: Warum leben Sie mit diesen knallrot gefärbten Haaren, Frau Kipping?

Während sie lacht, blenden wir zurück an den Anfang des Gesprächs, das Kipping, 37, auf dem Rücksitz eines Audi führt. Sie ist auf dem Weg ins Vogtland und ins Erzgebirge und hat jetzt Zeit für ein Telefonat. Sie wirkt aufgekratzt. Im Gegensatz zum allgemeinen Wahlkampf hat sie bei ihren Auftritten und ihrer Kundschaft „das Gefühl, es geht um etwas“. Um was geht es genau? Kurze Pause. Dann spricht sie von ihrer Vision einer „angstfreien Gesellschaft“. Mindestrente, Mindestlohn und sanktionsfreie Mindestsicherung seien erste Schritte dahin.

Bei allem Respekt vor den Inhalten: Die Grünen haben die Frage, wozu sie gebraucht werden, mit Rot-Grün beantwortet, und damit jeglichen Drive verloren. Die Linken haben Drive gewonnen, durch ihr Insistieren, es könne vielleicht doch eine rot-grün-rote Koalition geben, was vor allem von Fraktionschef Gysi und Kipping clever genährt wird. Das ist ein zusätzlicher Wahl-Anreiz neben Protest, Erziehung der SPD und Überwindung des Kapitalismus. Außerdem haben die Linken bessere Plakate als die Grünen. Man versteht sie. „Bei aller Bescheidenheit“ muss Kipping doch sagen, dass ihre Plakate „eine andere Tonalität“ in den Wahlkampf brächten: „Nicht total hip, sondern konkret.“

Sie selbst bringt trotz gewisser inhaltlicher und sprachlicher Altlasten auch eine andere Tonalität rein. Im Grunde ist sie Symbol oder Projektion für eine andere Linke als die, die real existiert. Jenseits des rapide voranschreitenden Mitgliedersterbens, jenseits der zerstrittenen Gruppierungen, verwurzelt im linken Theorie-Denken, aber mit praktischen und modernen Positionen, etwa bei der Verknüpfung von Gerechtigkeit und Energiewende. Ohne leidenden Zug um den Mund. Und dann symbolisiert sie auch noch ein anderes Frauenbild als Merkel (CDU), Nahles (SPD), Göring-Eckardt (Grüne) und auch Wagenknecht (Linke).

Was für ein Frauenbild wollen Sie leben? „Ein dekonstruktivistisches“, sagt Kipping ohne Zögern. Soll heißen? „Nicht eine Rolle bedienen, sondern Sachen mixen. Rollen sind immer patriarchal vorgeformt.“ Insofern ist sie selbstverständlich weder „Jeanne d’Arc“ (Spiegel) noch „Bond-Girl“ (Bild). Nicht nur, weil Erstere verbrannt wurde und Letztere in der Regel im Lauf der Handlung verloren gehen. Sondern: „Beide sind ja über die Verhältnisse zu Männern geprägt.“ Sie steht dafür, „dass es nicht allein um Vereinbarkeit von Karriere und Familie geht, sondern um eine andere Arbeitskultur in Spitzenämtern.“ Seit der Geburt ihrer Tochter vor eindreiviertel Jahren hat sie die Arbeitszeit deutlich verkürzt. 100 Stunden Politik in der Woche erhöhten die Qualität der Politik nicht und täten dem Leben nicht gut. Das mag sein, aber dann hat man doch nicht mehr genug Zeit, um die ganzen üblichen Intrigen zu spinnen und abzuwehren? „Dann muss man halt mal auf die eine oder andere verzichten.“ Und damit sind wir wieder an dem Moment des Gesprächs, in dem es gilt, dem Verdacht zu begegnen, ihre roten Haare könnten eine oberflächlich-politstrategische Maßnahme sein.

Also: Während des Abiturs hatte eine Freundin Geburtstag, und andere Gäste fragten, was sie ihr schenken sollten. Sie sagte: Haarfärbemittel. Es gab dann bei der Party ziemlich viel Haarfärbemittel und nach Genuss von Alkohol wurde das Zeug angewandt. Am nächsten Tag sah Katja Kipping in den Spiegel und es gefiel ihr immer noch ziemlich gut.