AUF DEM SPIELPLATZ : Nicht in Mexico City
Ich lungere mit Fup auf dem Spielplatz herum, beobachte eine Frau und zwei Kinder, die ihre Fahrräder an den Zaun lehnen. Die Mädchen nehmen ihre Fahrradhelme ab, gehen zur Schaukel. Sie sind noch zu klein, um selber draufzuklettern. Oder zu faul. Sie warten auf ihre Mutter, die die drei Fahrräder abschließt. Für jedes Fahrrad gibt es ein kleines Schloss und einen kleinen Schlüssel. Dann kommen die drei Fahrradhelme dran. Die Mutter kettet jeden Fahrradhelm einzeln mit Schloss und Schlüsselchen an den Zaun. Das dauert, und das sagt sie auch, als ihre Töchter maulen, weil sie schaukeln wollen.
Ich fühle mich wie in einem schlimmen Viertel in Mexico City. Aber wer würde da einen Fahrradhelm klauen und dafür sogar einen Bolzenschneider mit sich führen, um das Schloss zu knacken? Mitten am Tag in unmittelbarer Nähe der rechtmäßigen Besitzerin? Die müsste man dann erschießen, um an die Fahrradhelme zu kommen, und das wäre selbst in einem schlimmen Viertel in Mexico City eher ungewöhnlich. Hier im Viertel hat schon jeder einen Fahrradhelm. Die Vorsichtsmaßnahme gilt also Leuten, die noch keinen Zweitfahrradhelm haben. Die sind hier aber so selten, dass sie wohl schon von irgendeiner Kundendatei erfasst sind. Diese Zweitfahrradhelmnichtbesitzer haben bei dieser Frau schlechte Karten. Aber vielleicht hat die Frau ja schlechte Erfahrungen gemacht, vielleicht ist ihr schon mal ein Förmchen oder ein Schäufelchen abhandengekommen, denke ich vor mich hin.
Dann sehe ich Fup auf der Suche nach einem unabgeschlossenen Fahrrad. Da hat er schlechte Karten. Ich bin der Frau dankbar: So muss ich ihm nicht hinterherlaufen und erklären, dass wir hier nicht in einem schlimmen Viertel in Mexico City sind. Fup geht weiter und entwendet in einem unbeobachteten Moment einem Kind die Schaufel.
KLAUS BITTERMANN