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Archiv-Artikel

AUCH KAPITALVERMÖGEN SOLL HELFEN , DIE SOZIALSYSTEME ZU FINANZIEREN Mehr Geld, mehr Verantwortung

Der Dax steigt seit einiger Zeit kräftig, und mit ihm steigen die Kapitalvermögen von mehr als zehn Millionen Aktienbesitzern in Deutschland. Wer vor zweieinhalb Jahren sein Geld an der Börse angelegt hat, konnte mittlerweile seinen Einsatz verdoppeln. Gut dran also, wer aus Geldanlagen sein Einkommen verbessert oder gar von der Rendite lebt. Um so frappierender zeigt sich der wachsende Unterschied zwischen der Entwicklung der Einkommen aus Arbeit und derjenigen aus Kapital: Die Löhne sind in den letzten Jahren nur minimal gestiegen, im Vergleich mit anderen europäischen Ländern liegt die Bundesrepublik an einer der hintersten Stellen.

Unverständlich ist daher, dass in Deutschland nach wie vor alle Sozialsysteme ausschließlich aus den Arbeitseinkommen finanziert werden. Kapitalvermögen fließt nicht in die Berechnung der Beiträge zur Renten-, Arbeitslosen- und Krankenversicherung ein. Das führt zu Situationen, die wenig mit einer gerechten Umverteilung zu tun haben – etwa dieser: Ein Geringverdiener mit 1.500 Euro brutto im Monat, aber 150.000 Euro auf dem Konto, zahlt in der Regel weniger als 100 Euro an die Krankenkasse, Vermögen hin oder her. Seine Kinder haben Anspruch auf hoch subventionierte Kita-Plätze, die aus dem Arbeitsaufkommen der Gesamtbevölkerung finanziert werden. Ob die Familie in Wirklichkeit von ihren Geldanlagen lebt, interessiert nicht.

Die Fälle, in denen Arbeitseinkommen und Vermögen weit auseinander klaffen, werden in dem Maße zunehmen, wie die Generation Wirtschaftswunder Ersparnisse und Eigenheime an ihre Kinder, die Generation Praktikum, vererbt. Besitz im Wert von eineinhalb Milliarden Euro wird bis zum Ende des Jahrzehnts weitergegeben, ohne dass die Empfänger dafür einen Finger krumm machen müssen. Jeder deutsche Haushalt besitzt bereits heute im Durchschnitt ein Vermögen – Immobilien und Geld – von knapp 150.000 Euro. Das bedeutet einen Anstieg von 25 Prozent in den letzten zehn Jahren.

Die steil ansteigende Dax-Kurve könnte daher Anlass geben, die Finanzierung des Sozialsystems zu überdenken. Denn die Idee, den Solidargedanken auf das Arbeitseinkommen zu beschränken, wird umso absurder, je mehr Kapital die Deutschen zur Verfügung haben. Stattdessen muss das Vermögen berücksichtigt werden, und zwar sowohl bei den Beiträgen zu den Sozialversicherungen als auch bei der Inanspruchnahme von Subventionen wie gefördertem Wohnraum oder Kindergartenplätzen. Die Bürgerversicherung, wie sie die Grünen vorschlagen – sie zielt in die richtige Richtung. KATHARINA KOUFEN