ARD-Chef in spe zur Medienpolitik: "Ein überreguliertes System"
Der designierte ARD-Chef Peter Boudgoust über das "Gerede von der elektronischen Presse", die Freiheit im WWW und warum er bei Kooperationen lieber auf kleine Verlage setzt.
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taz: Herr Boudgoust, was stört Sie am Entwurf des neuen Rundfunkstaatsvertrags?
Peter Boudgoust: Die jetzt vorliegende Fassung des Vertrags würde bedeuten, dass wir Angebote aus dem Netz nehmen müssten, die dort längst schon vorhanden sind: von einer Dokumentation über den Wahlkampf in den beiden Bundesländern unseres Sendegebiets, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz, bis hin zum Videotext. Also Angebote, die bislang völlig akzeptiert sind - da würde wirklich das Kind mit dem Bad ausgeschüttet.
Was dürfen ARD und ZDF im Internet, was müssen sie bleiben lassen - die Rundfunkpolitik hat erste Vorgaben in einen Gesetzentwurf geschrieben, der ab 2009 gelten soll. Was dort steht, lässt Verlegerherzen höher schlagen und sorgt zur Abwechslung mal bei den Öffentlich-Rechtlichen für Weltuntergangsstimmung.
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Peter Boudgoust, 53, ist Intendant des Südwerstrundfunks (SWR) und übernimmt 2009 den Vorsitz der ARD.
Woher kommt das? Ist die Politik plötzlich weltfremd geworden oder will sie der ARD Übles?
Wir erleben im Moment eine zugespitzte Debatte, bei der versucht wird, eine künstliche Aufteilung der Online-Angebote vorzunehmen: hier Text, dort Video. Dabei ist das Multimediale - also die Verbindung von Text, Bild, Audio und Video - doch gerade das Kennzeichen eines gut gemachten Online-Angebots, bei den Auftritten der Verlage ebenso wie bei unseren. Das Gerede von der "elektronischen Presse" geht völlig an der Realität vorbei, da jagt man einer Schimäre nach. So etwas sollte nicht zur Grundlage eines Gesetzes gemacht werden.
Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck hat doch schon Kompromissbereitschaft signalisiert - warum also weiter die Aufregung?
Becks Einschätzung ist ein erfreuliches Signal. Aber man muss bei jeder Regulierung überlegen, wozu sie eigentlich gut sein soll: Wir haben doch jetzt schon ein völlig überreguliertes System in der Mediengesetzgebung. Jetzt wird auch noch versucht, das Medium, das eigentlich wie kein anderes für Freiheit steht, genauso zu reglementieren - nämlich das World Wide Web. Und das ist das Gefährliche.
Sie haben also kein Verständnis für die Angst der Privatsender und Verleger, die sich vor üppig gebührenfinanzierter öffentlich-rechtlicher Konkurrenz im Netz fürchten?
Das reguliert sich doch schon von allein: Weil die kommende Gebührenerhöhung ab 2009 voraussichtlich nicht einmal die Inflationsrate ausgleicht, können wir online gar nicht mit Millionen um uns werfen. Die ARD muss alles, was sie im Internet macht, durch Umschichtungen und Verzicht beim klassischen Radio und Fernsehen hinbekommen. Noch nicht einmal 1 Prozent unseres Etats geben wir für Online aus.
In NRW hilft dabei die WAZ-Gruppe mit, die für ihre Websites Regionalnachrichten-Videos beim WDR kauft und dafür gutes Geld zahlt. Halten Sie das für zukunftsfähig - und was plant der SWR?
Ich finde es gut, dass die Kontakte mit den Verlegern jetzt konkreter werden. Wir führen auch Gespräche mit einigen Zeitungsverlagen: Da prüfen beide Seiten ganz nüchtern, was ihren Interessen entspricht. Das wird sich sehr pragmatisch entwickeln - und irgendwann werden wir auf die erhitzte Diskussion der Jahre 2007/2008 schmunzelnd zurückblicken.
Die WDR-WAZ-Kooperation erntet nicht zuletzt deshalb Kritik, weil hier ein dickes Senderschiff mit dem größten Zeitungshaus anbandelt. Wann und mit wem kommt die SWR-Elefantenhochzeit?
Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg haben eine mittelständische Struktur mit vielen kleineren und mittleren Verlagen - da gibt es eine ganze Reihe von Gesprächspartnern, für die wir sehr offen sind. Das empfinde ich ganz klar als Vorteil.
Aber die sind dann vielleicht nicht so zahlungsfreudig wie die reiche WAZ.
Wir streben bei unseren Kooperationen gar keine Lizenzeinnahmen an, sondern setzen auf eine privilegierte Verlinkung der Angebote. Das wäre für die Verlage kostenlos - und für uns ist das sowieso keine ökonomische Frage: Dem SWR geht es darum, möglichst viele Menschen zu erreichen. Wem letztlich die Klickzahlen angerechnet werden, steht dabei nicht im Vordergrund.
INTERVIEW: STEFFEN GRIMBERG
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