ARBEITSLOSENGELD: RÜTTGERS’ VORSTOSS IST WEDER SOZIAL NOCH GERECHT : Umverteilung von Jung nach Alt
Es ist schon interessant, welche Vorschläge heutzutage mit den Etiketten „sozial“ und „gerecht“ versehen der Öffentlichkeit verkauft werden. Rüttgers’ Vorschlag zum Beispiel, das Arbeitslosengeld I an ältere Arbeitslose mit vielen Beitragsjahren länger auszuzahlen.
Nichts ist gerecht daran, jedenfalls dann nicht, wenn die Finanzierung tatsächlich „aufkommensneutral“ bleiben soll – und so wird der Vorschlag zurzeit debattiert. Das Gesamtniveau anzuheben steht nicht zur Diskussion. Das aber bedeutet, dass die Mehrausgaben für ältere Arbeitslose zu Kürzungen bei den jüngeren führen.
Dabei spricht gegen den Rüttgers-Vorschlag schon allein die ökonomische Tatsache, dass das Arbeitslosengeld I nach dem Prinzip der Risikoversicherungen funktioniert. Denen ist gemeinsam, dass viele Mitglieder jahrelang einzahlen und nie einen Cent ausbezahlt bekommen. Etwa der Hausbesitzer, dessen Haus nie abbrennt, oder der Autobesitzer, der keinen Unfall baut. Tritt der Versicherungsfall jedoch ein, spielt es keine Rolle, wie lange man Beiträge gezahlt hat.
Von dieser ökonomischen Tatsache abgesehen, ist das Bild zutiefst ungerecht, das hinter dem Rüttgers-Vorschlag steht: Wer jahrzehntelang „geschuftet“ hat, „verdient“ mehr staatliche Hilfe als jemand, der sich womöglich noch gar nicht ordentlich angestrengt hat. Mal umgekehrt betrachtet: Wieso soll der Staat diejenigen privilegieren, die das Glück hatten, ein Leben lang sozialversicherungspflichtig beschäftigt gewesen zu sein? Während sich heute viele junge Arbeitnehmer von einem befristeten Job zum nächsten Praktikum auf Honorarbasis hangeln? Und wieso sollen jüngere Leute, die vielleicht gerade eine Familie gründen, schneller auf Hartz-IV-Niveau sinken als ältere? Wo die Älteren doch ohnehin nur noch ein paar Jahre überbrücken müssen, bis sie eine Rente bekommen, von der die jungen Kollegen heute nur träumen können?
Der Rüttgers-Vorschlag bedeutet eine Umverteilung von Jung nach Alt. Er ist weder gerecht noch sozial, sondern dient lediglich der Profilierung bei der älteren Unions-Wählerschaft.
KATHARINA KOUFEN