APRIL: IN ERFURT TÖTET EIN SCHÜLER SEINE LEHRER : Der Amok bleibt der Sinnsuche entzogen
Robert Steinhäuser hat es getan. Was Generationen von Schülern nur androhten, setzte er um und erschoss zwölf Lehrer, zwei Schüler, eine Sekretärin, einen Polizisten und schließlich sich selbst.
Robert Steinhäuser hatte im Jahr davor das Abitur nicht bestanden und flog dann wegen einer Attestfälschung und mehrfachen „undisziplinierten Verhaltens“ von seiner Schule. Pech für ihn, dass er in Thüringen lebte. Wenn ein Schüler dort das Abitur nicht schafft, erhält er im Gegensatz zu anderen Bundesländern nicht einmal einen Hauptschulabschluss. In seiner Wut rächte er sich an denen, die seiner Meinung nach schuld waren an dem schulischen Scherbenhaufen, vor dem er stand. Seinen ehemaligen Lehrern.
Das es auch der Tag war, in dem der Bundestag das neue Waffengesetz verabschiedete, wusste Robert vielleicht durch die Mitgliedschaft in zwei Schützenvereinen. Eher ist dies jedoch einfach die Ironie des Schicksals. Die Altersgrenze für das „sportliche“ Schießen wurde an diesem Tag auf zehn Jahre abgesenkt; ab 14 Jahren darf auch mit scharfen Schusswaffen geschossen werden.
Nach den Erfurter Morden folgten mehr oder weniger hilflose Erklärungsversuche. Die Eltern müssen schuld sein! Die Computerspiele! Die Schützenvereine! Die Schule! Das Waffengesetz! Das System! Nach einigen Wochen zur Schau gestellter und tatsächlicher Fassungslosigkeit verdrängten andere Themen die Morde. Was bleibt von ihnen außer 17 trauernden Familien?
1. Nach zehn Jahren Schulbesuch bekommen Gymnasiasten in Thüringen jetzt automatisch den Realschulabschluss. Im Zeugnis wird außerdem wieder das „Betragen“ des Schülers benotet.
2. Das Waffengesetz vom Amoktag wurde verschärft. Pumpguns und Wurfsterne sind jetzt verboten. Kinder ab 10 dürfen weiterhin schießen.
Aber was Robert Steinhäuser tatsächlich in den Amok trieb, bleibt weiterhin im Dunkeln. Der Amok verweigert sich Versuchen, ihm Sinn zu geben. Und zwar mit tödlicher Konsequenz.
SARAH SCHMIDT