ANNA KLÖPPER DER WOCHENENDKRIMI : Schlange im Herzen
Letzte Woche haben wir uns an dieser Stelle über die wohlverdiente „Tatort“-Sommerpause gefreut und uns ganz ungeniert an den 80ern im Allgemeinen und den Macho-Allüren von Dennis Quaid in „The Big Easy“ im Speziellen ergötzt. Wir freuen uns weiterhin, diese Woche über den kirschblütenroten Lippenstift auf dem Puppenmund von Tang Wei in Ang Lees („Life of Pi“) 2007er Spionagedrama „Gefahr und Begierde“.
Tang Wei ist Wang Jiazhi, eine naive Studentin im von den Japanern besetzten Schanghai des Jahres 1942. Ihr dem chinesischen Widerstand zugeneigter Kommilitone Kuang Yu Min (Lee-Hom Wang) wirbt sie für ein umstürzlerisches Bühnenstück gegen die Besatzer an. Aus Spiel wird Ernst, als Kuangs kleine Theatergruppe beschließt, Mr. Yee (Leung Chiu-Wai) umzulegen, der mit den Besatzern kollaboriert.
Wang soll sich also an Mr. Yee heranmachen, das macht sie, der Mund kirschblütenrot, auch ganz tadellos, und man hätte ihr den Wandel von der Rucksack tragenden Studentin zur seidenbestrumpften Agentin glatt auch ohne diese nervigen Coming-of-Age-Bilder (die erste Zigarette, Schnapstrinken mit dem coolen Kommilitonen vom Widerstand) abgenommen.
Aber zum Glück ist das Erwachsenwerden nach dem Schnaps auch erledigt, und Ang Lee findet andere Bilder und Wörter, die pieksen wie Nadelstiche: dass Töten gar nicht so leicht ist, wie es sich die Studenten vorstellen, wenn das Opfer nicht sterben will, und vor sich hin zuckt und blutet. Und Wang, die sich in der sadomasochistischen Affäre mit Herrn Yee zunehmend selbst verliert, flüstert: „Er frisst sich wie eine Schlange in meine Seele, mein Herz.“ – „Lauf weg!“, wird sie ihm am Ende ins Ohr hauchen, als das Attentat endlich klappen soll. Ungeniert drängelt sich der Faktor einer irgendwie gearteten Liebe zwischen Kalkül. Und nächste Woche gibt es immer noch keinen „Tatort“.
■ „Gefahr und Begierde“; Sonntagnacht, 01.15 Uhr, ARD