ANDREAS FANIZADEH LEUCHTEN DER MENSCHHEIT : Etwas Besseres als die Nation
Es gibt Themen, die begleiten die Linke über die Jahrzehnte so sicher wie die Jahreszeiten. Ein immer wiederkehrendes Thema ist die Diskussion um Israel und die Politik im Nahen Osten. 1982 schloss sich der Autor dieser Zeilen einer Demonstration im Süddeutschen an. Ein Funktionär des Bundes Westdeutscher Kommunisten teilte ihm eine Ariel-Scharon-Maske zu. Damit und mit einem Holzgewehr sollte er Israel-Kritik üben. Einmal und nie wieder, die Punkjugend war attraktiver.
Scharon galt und gilt bis heute als der verantwortliche Politiker auf israelischer Seite für die Massaker in den palästinensischen Flüchtlingslagern von Sabra und Schatila. Die israelische Armee deckte 1982 das Vorgehen der christlichen Falange-Milizen gegen die Palästinenser im Libanon (Falange-Führer Baschir Gemayel war ermordet worden).
Im Unterschied zu der maskenhaften, zumeist hölzernen Kritik aus dem Ausland an Israel bringt die Gesellschaft dort aber immer wieder Statements der Selbstkritik hervor, die zusammen mit dem Bemühen um Sublimierung und Verfeinerung des Sprechens den Humus für Demokratie bilden.
Als solche ist auch der Animationsfilm „Waltz with Bashir“ von Ari Folman zu sehen, der 2009 für den Oscar nominiert wurde. Er ist nun als DVD und Comic-Band erschienen. Es geht um das damalige Geschehen im Libanon und das individuelle Nachwirken des Kriegs.
Es ist in seiner ästhetischen Form ein vielschichtiges politisches Werk, das einen Raum für Erinnerung und Veränderung öffnet. Unter Verzicht auf Parolen wird die Verantwortung des Individuums nach sich selbst und seinen Taten gestellt. Folman und der Zeichner David Polonsky entwerfen das Bild einer teilweise subkulturell geprägten israelischen Nach-68er-Generation, die statt etwas Besserem als die Nation nichts Besseres als den Krieg fand – und die bis heute die Frage nach Verantwortung und Gerechtigkeit aufwirft, ohne sich kollektiv-nationalistischer Stereotypen zu bedienen.
■ Der Autor leitet das Kulturressort der taz. Foto: privat