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Archiv-Artikel

AMERICAN PIE Kubanische Wochen

BASEBALL Flüchtling Yasiel Puig schwingt sich zum neuen Star der Liga auf. Die Los Angeles Dodgers können sich glücklich schätzen

Noch sind sich die Fans nicht einig, wie sie ihren neuen Liebling nennen sollen. Im Gespräch sind unter anderem „Cuban Missile“, „Fidel Blastro“ oder „Puigapalooza“. Noch hat Yasiel Puig keinen festen Spitznamen, aber das kann nicht mehr lange dauern, wenn der 22-jährige Kubaner weiter so überragend spielt. Nach nur einem Monat bei den Los Angeles Dodgers ist Puig die große Sensation dieser Baseball-Saison.

Geboren wurde Puig 1990 in Cienfuegos. Schon als 17-Jähriger spielte er in der ersten kubanischen Liga für seine Heimatstadt und wurde schnell Nationalspieler. 2011 versuchte er, bei einem internationalen Turnier in Rotterdam zu flüchten, wurde aber erwischt und daraufhin ein Jahr vom kubanischen Verband gesperrt. Im April 2012 schließlich gelang ihm die Flucht nach Mexiko mit Hilfe eines Schleuserrings. Die Dodgers gewannen das anschließende Wettbieten um das junge Talent, das einen mit 42 Millionen Dollar dotierten Sieben-Jahres-Vertrag unterschrieb.

Ein üppiges Salär für einen Neuling, aber Puig wurde – wie üblich bei Jungprofis – erst einmal in niederklassigen Nachwuchsteams geparkt, um Spielpraxis sammeln zu können. Doch als es für die Dodgers, die mit der zweitteuersten Mannschaft der Liga und großen Erwartungen in die Saison 2013 gestartet waren, überhaupt nicht lief, wurde der Hoffnungsträger ins Major-League-Team geholt.

Dort feierte er einen sensationellen Einstand. Gleich in seinem ersten Spiel gelangen ihm zwei Hits und ein sensationeller Wurf aus dem Outfield, der den knappen Sieg gegen die San Diego Padres rettete. Anschließend bekam er eine Standing Ovation des Publikums in Los Angeles. Seitdem sind die Dodgers nicht wiederzuerkennen: Mit seinen Homeruns, seiner Schnelligkeit, seinem großartigen Wurfarm und seinem ansteckenden Enthusiasmus hat Puig die Dodgers nahezu im Alleingang aus dem Tabellenkeller geholt und zu einem Playoff-Kandidaten befördert. Für „ein Märchen“ hält sein Trainer Don Mattingly den Einstieg von Puig, „sehr beeindruckend“ findet ihn der etablierte Kollege Luis Cruz. Der Gelobte selbst wurde prompt zum „Spieler des Monats Juni“ gekürt, aber er gibt sich bescheiden und lässt durch einen Übersetzer wissen, er wolle „all die kleinen Dinge tun, die der Mannschaft helfen zu gewinnen“.

Diese kleinen Dinge sind allerdings ziemlich spektakulär. Momentan gibt es keinen Baseballspieler, der die Fans so begeistert. Nicht nur für den ehemaligen Profi und jetzigen TV-Experten Eric Byrnes ist Puig, der gern mal in vollem Lauf in die Spielfeldbegrenzung rennt, um einen Ball zu fangen, der „aktuell aufregendste Baseballprofi“. 44 Hits gelangen dem Kubaner in seinem ersten Monat in der ersten Liga. Einen besseren Start in der 144-jährigen Geschichte der Major Leagues hat nur einer hingelegt, ein gewisser Joe DiMaggio. Der spätere Ehemann von Marilyn Monroe begann seinen Aufstieg zur Legende 1936 mit sogar 48 Hits in seinem Debütmonat.

Prompt meldeten sich die ersten Unkenrufer. Die regen sich vor allem darüber auf, dass Puig wahrscheinlich von den Fans ins All-Star-Game, das kommenden Dienstag in New York angesetzt ist, gewählt werden wird. Zu dieser Leistungsschau des Sports, so die Kritiker, darunter mit Bruce Bochy immerhin der Trainer des amtierenden Meisters San Francisco Giants, sollten nur verdiente Profis eingeladen werden, die länger als ein paar Wochen ihr Können bewiesen haben.

Jonathan Papelbon, Pitcher der Philadelphia Phillies, hält es sogar für „einen Witz“, dass über Puigs Einladung zum Allstar-Spiel überhaupt nachgedacht wird. Momentan aber sind sie machtlos, die Nörgler und Skeptiker. Die „Puigmania“ scheint nicht mehr aufzuhalten zu sein.

THOMAS WINKLER