AMERICAN PIE : Allein unter Einsichtigen
US-DOPING Die Major League Baseball sperrt Alex Rodriguez für 211 Spiele. Der will nicht zugeben, dass er gedopt hat, und spielt weiter
Das Schicksal hat einen Sinn für Ironie, das wurde am Montag in Chicago wieder einmal augenfällig. Dort feierte einer der größten Stars des Baseballs unter großer Anteilnahme der Öffentlichkeit sein Comeback nach mehrmonatiger Verletzungspause. Das knappe Dutzend Kamerateams und die Hundertschaft Reporter hatten sich allerdings nicht in erster Linie eingefunden, um zu beobachten, wie Alex Rodriguez auch nicht verhindern konnte, dass seine kriselnden New York Yankees 1:8 untergingen gegen die White Sox. Nein, der Medienauflauf hatte vor allem einen Grund: A-Rod, der bestbezahlte Profi im Baseball-Zirkus, war nur wenige Stunden zuvor wegen Doping gesperrt worden – und spielte trotzdem.
211 Spiele Sperre brummte Major League Baseball (MLB) ihrem ehemaligen Aushängeschild auf „wegen des Gebrauchs und Besitzes von zahlreichen verbotenen leistungssteigernden Mitteln, darunter Testosteron und Wachstumshormonen“, so die Liga in ihrer offiziellen Mitteilung. Das ist die längste Sperre, die in der langen Geschichte des professionellen Baseball ausgesprochen wurde. Warum der 38-Jährige trotzdem für die Yankees auflaufen durfte? Er wird, wie er nach dem Spiel in Chicago verkündete, gegen die Sperre vorgehen – und solange tritt die nicht in Kraft.
Damit ist er allerdings der Einzige. Neben Rodriguez wurden ein Dutzend andere Spieler gesperrt – wenn auch nur für 50 Spiele. Damit könnten alle zu den Playoffs zurückkehren. Der Grund für die milderen Strafen ist vor allem, dass diese zwölf in Verhandlungen mit der MLB und angesichts der überwältigenden Beweislast ihre Sperren akzeptiert haben – wie bereits vor anderthalb Wochen Ryan Braun von den Milwaukee Brewers.
Die 13 Spieler, die auf einen Widerspruch verzichten, zeigen, dass Doping bis heute in allen Bereichen des Profi-Baseball verbreitet ist. Unter den Suspendierten sind Pitcher und Outfielder, Stars wie Rodriguez und Braun, aber auch Profis wie Fautino De Los Santos, der seit Jahren versucht, sich bei einem Major-League-Team im Kader festzuspielen. Unter den Sündern sind Homerun-Schläger, die vor allem von ihrer Kraft leben, wie Nelson Cruz von den Texas Rangers, aber auch schnelle Sprinter wie Evereth Cabrera von den San Diego Padres.
Der Biogenesis-Skandal zeigt aber auch wieder einmal, wie zahnlos, ja vielleicht sogar überflüssig Dopingtests sind. Denn obwohl MLB-Boss Bud Selig stolz darauf ist, „das strengste Testsystem im US-Sport“ zu betreiben, in dem allein im vergangenen Jahr 16.000 Urin- und Bluttests durchgeführt wurden, ist keiner der gesperrten Spieler durch einen positiven Befund überführt worden. Der als Wellness-Klinik getarnte Drogenring flog auf, als ein Mitarbeiter und Investor sich mit dem Biogenesis-Chef zerstritt, Unterlagen mitgehen ließ und in der Presse lancierte, um sich an seinen ehemaligen Geschäftspartnern zu rächen.
Dennoch könnte der Umgang mit Biogenesis den Moment markieren, in dem im Baseball ein Umdenken begonnen hat. Die Liga sichtete denkbar schnell die Beweise und ging gegen die Spieler vor, dabei unterstützt von der Spielergewerkschaft MLBPA. Das ist keine Selbstverständlichkeit, wehrte sich die MLBPA doch jahrelang zäh gegen alle Anti-Doping-Maßnahmen. Nun aber begrüßen Spieler wie Evan Longoria in Twitter-Meldungen die Sperren ihrer Kollegen: „Das ist ein Tag der Schande für Baseball“, zwitscherte der Star der Tampa Bay Rays, „aber es ist ein gewaltiger Schritt in die richtige Richtung für den Sport, den wir lieben.“
Auch die gesperrten Spieler zeigten sich größtenteils einsichtig, gaben ihr Fehlverhalten zu und entschuldigten sich bei Fans und Teamkollegen. Einzige Ausnahme: Alex Rodriguez. Der ließ keinen Zweifel daran, dass er jede legale Möglichkeit ausschöpfen werde, um einer Sperre zu entgehen: „Ich kämpfe um mein Leben.“ THOMAS WINKLER