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Archiv-Artikel

AMERICAN PIE So viel ist sicher

OLYMPIA Die Eishockey-Funktionäre der NHL stehen den Winterspielen skeptisch gegenüber – aus mehreren Gründen

Wegen Olympia kann die NHL nicht die Saure-Gurken-Zeit im US-Sport ausnutzen

Wladimir Putin liebt Eishockey. Sollten die Gastgeber in Sotschi nur eine einzige Goldmedaille gewinnen, wäre er trotzdem zufrieden, ließ der russische Präsident kürzlich verlauten, wenn es nur die im Eishockey wäre. Aber Putin ist nicht nur Fan, er geht auch selbst regelmäßig aufs Eis. Vor zwei Wochen fertigten er und sein Team, in dem der weißrussische Diktator-Kollege Alexander Lukaschenko an der Seite von Putin stürmte, eine Auswahl russischer Alt-Internationaler mit 12:3 ab.

Trotzdem sollte man nicht erwarten, dass Putin sich demnächst selbst aufstellt, um in die Mission Gold einzugreifen. Allerdings könnte die russische Nationalmannschaft unter gewissen Umständen Probleme bekommen, die besten Profis nach Sotschi zu locken. Denn nun wurde bekannt, dass die National Hockey League (NHL) sich vorbehält, ihren Profis im Notfall die Reise zu den Olympischen Spielen zu verbieten.

In einer E-Mail an eine Agentur gab die NHL ihrer Hoffnung Ausdruck, dass das Organisationskomitee, die russische Regierung und das IOC „alle nötigen Schritte ergreifen werden, um die Sicherheit der Sportler zu garantieren“. Aber: „Falls etwas Signifikantes auftaucht bis zum 9. Februar, das dafür sorgt, unsere Einschätzung infrage zu stellen, werden wir die Situation neu bewerten.“

Die Angst vor Attentaten ist also bei den Funktionären ebenso verbreitet wie unter den mehr als 150 NHL-Profis, die für die zwölf qualifizierten Mannschaften nominiert sind. Mehrere Spieler der US-amerikanischen und kanadischen Teams haben bereits verkündet, dass sie ihren Angehörigen empfohlen haben, nicht nach Sotschi zu reisen, um sie vor Ort anzufeuern. Kanadas Goalie Mike Smith hat seiner Familie verboten, ihn zu begleiten, obwohl seine Frau Brigitte Acton als Skirennläuferin selbst bei den Spielen in Turin und Vancouver am Start war: „Sie werden nicht mitkommen“, sagt Smith über seine Frau und die beiden Kinder. „Das ist es nicht wert. Ich würde mir nur ständig um sie Sorgen machen.“

Aber nicht nur was die Sicherheitslage in Sotschi betrifft, ist die NHL nicht sonderlich glücklich mit den Spielen. Seit 1998 in Nagano, als sie ihren Profis erstmals gestattete, um olympische Medaillen zu spielen, muss sie alle vier Jahre ihren Spielbetrieb für mehr als zwei Wochen unterbrechen. Wenn ein Unterhaltungsbetrieb wie die NHL so lange pausiert, dann hat das finanzielle Folgen. Die sind in diesem Jahr umso deutlicher, weil die olympische Zwangspause ausgerechnet in der Saure-Gurken-Zeit des nordamerikanischen Sportkalenders liegt. Wegen Sotschi kann die NHL es nicht nutzen, dass zwischen der Super Bowl am kommenden Wochenende und der „March Madness“ um den College-Basketball keine wirklich wichtigen Sportereignisse stattfinden.

„Potenziell negative Auswirkungen“ nennt das Billy Daly, der stellvertretende Chef der NHL. Diese negativen Auswirkungen hofft die Liga einzudämmen mit dem positiven Imagegewinn, der durch die spektakulären Auftritte ihrer Stars auf der olympischen Bühne entsteht. Allerdings ist der NHL bei weitem nicht das gelungen, was das „Dream Team“ 1992 in Barcelona schaffte: die NBA zu einer weltweiten Marke zu befördern.

Deshalb ist man bei der NHL zusehends olympiaskeptisch. Man müsse, so Daly, „analysieren, ob es einige gute Idee für uns ist oder nicht“. Vor allem dann, wenn die Spiele auch noch auf der anderen Seite des Planeten stattfinden und zu für den nordamerikanischen Markt ungünstigen Zeiten im Fernsehen übertragen werden. Das reduziert den Werbeeffekt, wird sich aber in absehbarer Zeit nicht ändern: Die nächsten Winterspiele finden 2018 in Südkorea statt. Wird Pyeongchang womöglich in die Geschichte eingehen, weil sich die NHL-Profis wieder aus der olympischen Bewegung verabschieden? „Das ist es nicht, was wir wollen“, sagt NHL-Funktionär Bill Daly, „aber ich würde es nicht ausschließen.“ THOMAS WINKLER