AMERICAN PIE : Fußballer unterm Korb
BASKETBALL Die Universität von Kansas will mit dem supertalentierten Lulatsch Joel Embiid den College-Titel holen
Auf ihre Basketballer sind sie besonders stolz an der Uni von Kansas. Die ruhmreiche Geschichte begann mit einem gewissen James Naismith. Der hatte den Sport im Jahre 1891 erfunden und wurde acht Jahre später der allererste Trainer der Kansas Jayhawks. Ironischerweise hatte Naismith am Ende seiner neunjährigen Amtszeit eine negative Bilanz aufzuweisen – als einziger Headcoach in der Geschichte Jayhawks bis heute.
Auch Bill Self, der aktuelle Cheftrainer, kann nicht klagen über mangelnde Erfolge. Seit 2003 ist er im Amt, hat 2008 den nationalen Titel gewonnen und ein weiteres Mal das Final Four des Meisterschaftsturniers erreicht. Auch sein aktuelles Team gilt als Titelanwärter. Doch ausgerechnet nun, da die alljährliche March Madness um den College-Basketball losbricht, fehlt Self sein wichtigster Spieler.
Am Sonntag, dem sogenannten Selection Sunday, wird die NCAA, der College-Sportverband, die 68 Mannschaften verkünden, die am Turnier teilnehmen dürfen. Schon zwei Tage später finden dann die ersten K.O.-Spiele statt. Kurz darauf dürften auch die Jayhawks ins Geschehen eingreifen, und wenn sie ihre Hoffnungen, das Anfang April in Dallas stattfindende Final Four zu erreichen, nicht früh begraben wollen, müssen sie hoffen, dass bis dahin Joel Embiid wieder einsetzbar ist.
Seit sich der 19-jährige Embiid am 1. März in einem Spiel gegen Oklahoma State den Rücken verdrehte, wird sein Gesundheitszustand aufmerksam verfolgt. Denn mit ihm ist Kansas Titelfavorit, ohne ihn nicht sonderlich ernst zu nehmen. Nicht nur Fred Hoiberg, einst zehn Jahre lang NBA-Profi und jetzt Trainer an der Iowa State University, glaubt, dass Embiid „der beste College-Basketballer im ganzen Land“ sei: „Er ist groß, und er ist lang, er kann werfen, hat eine unglaubliche Beinarbeit, und er spielt erst seit zwei Jahren Basketball.“
Der gebürtige Kameruner kam erst vor drei Jahren in die USA, um seinen Schulabschluss zu machen. Zu Hause hatte er Fußball gespielt, zum Basketball kam er eher zufällig. Nun aber glauben die Experten, dass Embiid beim NBA-Draft im Juni, wenn die Nachwuchstalente auf die Profi-Teams verteilt werden, als erster Spieler ausgewählt wird.
In der Statistik taucht Embiid zwar nur mit gut elf Punkten, acht Rebounds und 2,6 Blocks pro Spiel auf, aber seine Qualitäten sind kaum mit Zahlen zu messen. Seine Präsenz unter dem Korb schafft Räume für seine Mitspieler, ohne ihn ist vor allem die Verteidigung der Jayhawks nur noch ein Torso. Vor allem aber ist nicht zu übersehen, dass Embiid für einen Spieler, der 2,14 Meter groß ist und 115 Kilo wiegt, ein unglaubliches Bewegungstalent hat. Er besitzt Ballgefühl und vor allem schnelle Füße. Die hat er, glauben die Talentspäher, seiner Vergangenheit aus dem Fußballplatz zu verdanken, und ziehen Parallelen zu einem anderen Afrikaner, der vom Fußball kam und zum NBA-Star wurde: Hakeem Olajuwon war allerdings Torhüter, Embiid spielte im Mittelfeld.
Dass er demnächst einen Millionen schweren Vertrag unterschreibt und die NBA aufmischt, das scheint momentan nur noch einer verhindern zu können: Joel Embiid selbst. Anfang Februar erzählte er einem Reporter, dass es mitnichten eine ausgemachte Sache sei, dass er im Sommer Profi wird. „Ich werde mich nach der Saison entscheiden“, ließ der Lulatsch wissen, „aber ich denke definitiv darüber nach, im College zu bleiben.“
Tatsächlich könnte es dem ungeschliffenen Rohdiamanten gut tun, noch ein weiteres Jahr für Kansas zu spielen. Andererseits sind die Trainingszeiten im College für die vorgeblichen Amateursportler reglementiert und der Druck für ihn als tragende Säule eines Meisterschaftsanwärters ungleich höher als in einem NBA-Team. Dort könnte er als Ergänzungsspieler von der Bank kommen und sich darauf konzentrieren, unter professioneller Anleitung seine Fähigkeiten seinen überragenden physischen Talenten anzupassen. Dass er die bald wieder für die Jayhawks in die Waagschale wirft, darauf hoffen sie gerade in Kansas. THOMAS WINKLER