piwik no script img

Archiv-Artikel

AMERICAN PIE Endlich wieder Ruhe!

EISHOCKEY Nach seiner für viel Diskussionsstoff sorgenden Torflaute trifft Sidney Crosby in den Playoffs für die Pittsburgh Penguins

„Es ist nett“

SIDNEY CROSBY ÜBER SEIN ERFOLGSERLEBNIS

Überschwänglichkeit ist seine Sache nicht. Kaum mehr als ein zufriedenes Grinsen gönnte sich Sidney Crosby nach dem Sieg. 2:0 hatten seine Pittsburgh Penguins gewonnen bei den New York Rangers, der kanadische Superstar hatte den wichtigen ersten Treffer erzielt. Zu Beginn des zweiten Drittels überraschte er bei einen Konter Rangers-Goalie Henrik Lundqvist mit einem Flachschuss durch die Beinschoner. Es war der einzige Schuss, den Crosby das ganze Spiel abgab. Das nennt man wohl Effektivität. „Es ist nett“, kommentierte er einen gelungenen, aber nur vermeintlich gewöhnlichen Arbeitstag.

Denn Sidney Crosby gilt zwar als bester Eishockeyspieler, der momentan auf diesem Planeten auf Kufen läuft. Er hat 2009 den Stanley Cup mit Pittsburgh gewonnen, sammelt Tore, Assists und Auszeichnungen wie vor ihm nur Wayne Gretzky oder Mario Lemieux. Aber Sidney Crosby hatte ein Problem. 13 Playoff-Spiele lang hatte er kein Tor mehr geschossen, eine Durststrecke, die bis ins vergangene Jahr zurückreicht, als die Penguins sang- und klanglos im Halbfinale ausschieden und Crosby teilweise sogar desinteressiert wirkte.

Seitdem wird spekuliert, was der Grund sein könnte. Hat Crosby eine Rippenverletzung, die er verschweigt? Oder einen Bruch in der Hand? Ist Crosby müde? Irgendjemand rechnete aus, dass Crosby während der regulären Saison, in der er mit 104 Punkten der mit Abstand erfolgreichste Scorer der NHL war, genau 1.757 Minuten und 47 Sekunden auf dem Eis stand, so lang wie kein anderer Stürmer in der NHL. Außerdem trat er 1.887 Mal zum Bully an: Kein anderer Center musste so oft mit den Schlägern um den Puck stochern. Andere hantierten mit der Stoppuhr, um zu messen, ob Crosby langsamer sprintet als früher.

Das Ganze war natürlich übertrieben. Der 26-jährige Kapitän trug ja durchaus etwas bei zu den bislang überzeugenden Playoff-Auftritten der Penguins. Sechs Torvorlagen gab er in den ersten acht Spielen. Aber die eigenen Tore fehlten eben. Irgendwann hatte die Flaute so lange angedauert, dass sich kaum noch ein Reporter zu fragen traute, wann Kanadas Darling wieder treffen werde. Crosby selbst, der, wenn es um Gefühle geht, nicht als allzu auskunftsfreudig bekannt ist, sonderte nur die üblichen Stanzen ab: Klar würde er gern Tore schießen. Aber bis es so weit ist, versuche er seiner Mannschaft eben anders zu helfen. Es ginge ums Gewinnen, nicht um den persönlichen Erfolg. Wenn man hart arbeitet, wird diese Arbeit auch belohnt. Und jetzt eben: „nett“.

Dasselbe Wort wählte auch Marc-André Fleury. Der Schlussmann der Penguins wurde natürlich zu Crosby befragt. „Das ist nett für ihn. Jetzt muss er endlich nicht mehr darüber sprechen“, kommentierte Fleury das Ende der Durststrecke seines Teamkollegen. Dabei hätte es allen Grund gegeben, dass vor allem er selbst im Mittelpunkt stünde. War dem kanadischen Nationaltorhüter doch zum ersten Mal in seiner ruhmreichen Karriere das Kunststück gelungen, zwei Spiele in Folge ohne Gegentor zu bleiben. 35 Schüsse der Rangers entschärfte er allein am Montag und zeigte viele spektakuläre Paraden. Zum Vergleich: Sein Gegenüber Lundqvist, der auch nicht eben als Garderobenständer gilt, wurde nur 15 Mal geprüft, musste aber zwei Mal hinter sich greifen. „Wir glauben an ihn“, lobte Crosby den Sieggaranten Fleury.

Dank der beiden Glanzleistungen ihres Torwarts führen die Pittsburgh Penguins nun 2:1 in der Best-of-Seven-Serie. Zwei Siege fehlen noch zum Erreichen des Halbfinales. Am heutigen Mittwoch findet das vierte Spiel statt, wieder im Madison Square Garden in New York. Dann müssen sich die Rangers nicht mehr nur Gedanken machen, wie sie es endlich mal wieder schaffen wollen, Marc-André Fleury einen Puck ins Netz zu schmuggeln. Sondern auch, dass ihnen auf der anderen Seite nicht ein offensichtlich wiedergenesener Sidney Crosby weitere Treffer einschenkt. Außerdem haben die New York Rangers selbst einen Problemfall mit chronischer Flaute: Ihr Stürmerstar Rick Nash ist jetzt schon 14 Playoff-Partien ohne Torerfolg.

THOMAS WINKLER