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Archiv-Artikel

AM SAMSTAG REICHTE DIE LEBENSENERGIE GERADE NOCH FÜR EINEN 50. GEBURTSTAG Trinken bitte erst nach zehn Uhr morgens

VON JENNY ZYLKA

Ein komisches Wochenende. Es schien anstößig, auf Amy anzustoßen. Dabei war Donnerstagabend noch alles paletti, konnte man ungestört im White Trash Fast Food herumlungern, Touristen gucken, Bier trinken und Fisch essen, rote Forelle. „Die sieht gut aus“, hatte der Kellner ganz richtig angekündigt, und schon ging am Tisch das Gealbere los: Was heißt denn hier rot, früher waren die Dinger doch immer blau, so wie wir gleich.

Gegenüber saß glücklicherweise ein Küchenprofi, der sogar wusste, wie man das Meeresgetier angemessen und weitgehend grätenfrei mit einem sauberen Wirbelsäulenschnitt zerlegt, was wichtig ist, falls man mal irgendwo bei Hofe eingeladen ist. Peinlich, dann die ganze Zeit Fischgeröll aus den Zähnen zu zuppeln, während gegenüber William und Kate oder Victoria und Daniel oder Victoria und David sitzen, die das richtige Benehmen mit der Muttermilch, sozusagen am goldenen Löffel vorbei, eingehämmert bekommen haben. Also nicht die letzteren, Posh und Becks, haben sich ja auch nur hochgezickt beziehungsweise -gespielt.

Als kleines Dankeschön konnte man jedenfalls wieder einmal mit dem Königswissen über das praktische Zusammenlegen von Spannbettlaken punkten: Jeder freut sich, wenn er den Trick verraten bekommt, wie sich platzaufwendige Stoffknäuel vermeiden lassen. DJ Tex Morton legte dazu die umwerfende neue Compilation „Early Rappers“ auf, die die Anfänge des Sprechgesangs feiert, und Hipster Talk von Cab Calloway bis Bo Diddley und von Blanche Thomas bis Pigmeat Markham vorstellt: „I’m bad, I spell b-a-d! Bad!“ Immer dieses Kokettieren mit der dunklen Seite der Macht.

Man blieb am Fischthema kleben wie die Panade an der Haut: In einer Bar um die Ecke erzählte später jemand von einem Bekannten, der ein „Kleine Fische knabbern Hornhaut ab“-Business betreibt, und bei Gott, wenn jemand unbedingt kein Glück bei den Frauen haben will, muss er nur genau so etwas machen. Ist das ekelig! Dann schon lieber Hirschhornkäfer, die Fingernägel schneiden. Oder gleich Blutegel, was können die noch mal? Leberflecke verkleinern?

Freitag wurde die Uhr eisenhart von Bier auf Wodkamartinis umgestellt, schließlich sieht Don Draper ja auch noch spitze aus, vielleicht reicht es schon, nicht vor 10 Uhr morgens zu trinken? Wobei wir schon wieder bei Amy sind. Aber klar, das eine ist Fernsehen, das andere Fenster, wie Max Goldt es einmal so poetisch ausdrückte. Und Samstag reichte die Lebensenergie (im Display oben rechts zu sehen) gerade noch für einen 50. Geburtstag – das nimmt langsam überhand! –, und die swingenden und boppenden Crybabies im Bassy, die waren wie üblich toll, allein schon wegen der Locke, die sich Sängerin und Gitarristin Trinity immer onduliert: Das ist mal eine echte Locke! Wie macht sie es nur, dass sie stehen bleibt? S-s-s-Studio Line? Oder gibt es endlich 40s/50s-Retro-Perücken im Netz? Da kann man schließlich auch „Cyndi Lauper-Wigs“ kaufen. Sie kosten 15,95 Dollar und haben einen wirklich schrecklichen Farbverlauf von gelb nach rot, ganz wie es damals auf so manchen Köpfen üblich war, in jenen komischen Zeiten, deren schon viel zu lang anhaltendes Moderevival man auf gar keinen Fall mitmachen darf, weil man sie erstens miterlebt hat und weil zweitens die meisten Sachen auch einfach bescheuert aussahen, entre nous. Das sollte mal jemand diesen überhaupt nicht zur Vernunft kommenden Leggingträgerinnen verklickern.

Man kann sich aber schon auf die Zukunft freuen, in der die jungen Dinger von heute darüber lachen, dass sie früher abgeschnittene Shorts anhatten, aus denen die Taschen herauslugten. Oder wie Ella Fitzgerald und Louis Armstrong einst im Duett sangen: Hahaha, who’s got the last laugh now!