ALS VOR DEM KRANZLERECK DIE FLAGGE DES VIETCONG GEHISST WURDE, WAR PETER KLEINHANS DABEI – ALS POLIZIST : Studenten, die vom Krieg erzählen
DIE LEUTE VOM KURFÜRSTENDAMM
Männer, wenn ihr was erleben wollt, meldet euch nach Charlottenburg“, hatte sein Vorgesetzter bei der Bereitschaftspolizei in Reinickendorf gesagt. So kam Peter Kleinhans im Oktober 1966 zum Einsatzkommando Charlottenburg. Kleinhans war damals 26 Jahre alt. Etwa im gleichen Alter wie die demonstrierenden Studenten, denen er kurz darauf in der ersten Reihe der Polizeikette auf dem Kurfürstendamm gegenüberstand.
Zum ersten Mal war das am 10. Dezember 1966 bei der großen Vietnamdemonstration, wo unter anderem auf dem Zeitungskiosk vor dem Kranzlereck die Flagge des Vietcong gehisst wurde. „Das musste natürlich sofort weg, das Feldzeichen“, sagt Kleinhans. „Rädelsführer festnehmen, Feldzeichen beschlagnahmen“, lautete der Befehl. Feldzeichen, das waren in der militärisch grundierten Befehlssprache von damals auch Transparente der Demonstranten.
Am Anfang hat es Peter Kleinhans gekränkt, dass die Polizei von den Demonstranten pauschal als „Nazis“ beschimpft wurde. Wo er doch lediglich seinem Auftrag nachzukommen versuchte, die öffentliche Ordnung wiederherzustellen und das „gedeihliche Miteinander der Bürger“ sicherstellen zu helfen. Die bürgerkriegsähnlichen Zustände am Ende der Weimarer Republik lagen damals weniger lang zurück als heute das Jahr 1968. „Und wir bei der Polizei konnten doch nichts daran ändern, dass die Amerikaner in Vietnam Bomben warfen.“ Bald hätten am Kurfürstendamm auch Geschäfte und Barrikaden gebrannt, wären Pflastersteine geflogen. „Das war schon Krieg“, sagt Kleinhans, und wie Krieg seien die Einsätze von den Führungskadern bei der Polizei dann strategisch auch geplant worden, die oft ihre diesbezüglichen Erfahrungen noch bei der Wehrmacht gesammelt hatten. Viele Ehen seien damals in die Brüche gegangen, „weil wir auf Bereitschaft ständig in der Polizeikaserne schlafen mussten“.
Er will die Welt verändern
Am Tag des Attentats auf Rudi Dutschke am Kurfürstendamm war er mit der Funkstreife unterwegs und am Tatort. „Das Fahrrad lag noch da. Und die Schuhe.“ Dann wurde er als Wasserwerferkommandant zum Springerhochhaus abberufen, wo die Studenten die eigentlichen Schuldigen für das Attentat sahen. Peter Kleinhans ist keiner, der die Dinge beschönigt. Er erzählt von Wachtmeistern, die in betrunkenem Zustand Hakenkreuze in den Schnee pinkelten. Vom alles beherrschenden Kadavergehorsam bei der Polizei jener Jahre. Dies zu verändern, darin sah er später als Ausbilder eine seiner Hauptaufgaben: selbstbewusste Individuen für den Polizeidienst heranzuziehen und so im Kleinsten, nämlich dort, wo man von Mensch zu Mensch was erreicht, zu kämpfen. „Ich wollte schließlich auch die Welt verändern.“
Die pauschalen Parolen der Studenten von damals dagegen sind ihm suspekt bis heute. Auch wenn er weiß, dass diese Jahre zur Demokratisierung der Polizeistrukturen beigetragen haben. Die Wende kam mit den tödlichen Schüssen auf Benno Ohnesorg. Damals begann die Polizei, das Gespräch mit den Studenten zu suchen. Man lud prominente Studentenvertreter zu Vorträgen ins Polizeipräsidium am Kaiserdamm ein. Später kamen diese Leute Kleinhans manchmal vor „wie unsere Väter, wenn sie vom Russlandfeldzug sprachen“.
Symbol der Demokratie
Irgendwann während unseres Gesprächs in seiner Wohnung holt Kleinhans aus einem Stoffsack seinen alten Tschako heraus. So hießen die Polizeihelme, die 1968 durch stabilere Modelle ersetzt wurden, weil die traditionsreichen Papphüte mit dem zwölfstrahligen Gardestern und der weiß-roten Kokarde die Beamten nicht mehr vor den Pflastersteinen schützen konnten. Der Tschako hatte, erzählt der inzwischen als Polizeihistoriker aktive Kleinhans, 1918 die wilhelminische Pickelhaube abgelöst, war also eigentlich ein Symbol der Weimarer Demokratie gewesen.
Hatte er Angst vor den Folgen der Studentenunruhen? Angst, dass man eines Tages einen Regierenden Bürgermeister namens Dutschke oder einen Innensenator Teufel hätte, das nicht, sagt Peter Kleinhans. Aber Angst, dass die Russen angesichts der immer schwerer zu beherrschenden Lage in Westberlin sagen würden, die Alliierten könnten die Sicherheit der Stadt nicht mehr garantieren, und den Laden übernehmen.