AKADEMIKER-ARBEITSLOSE ENTSORGEN ALTE ERFOLGSMYTHEN : Es liegt doch nicht nur am Einzelnen
Das Thema Beschäftigung hat schon eine Vielzahl von Mythen produziert. Nehmen wir zum Beispiel das Gerede von der „Dienstleistungsgesellschaft“: Noch in den frühen 90er-Jahren geisterte der Mythos des „Tüteneinpackers im Supermarkt“ durch die Gespräche der Wirtschaftselite. Wenn die Deutschen williger dienen würden, so der Tenor, könnten doch tausende solcher Jobs entstehen. Nach der „Dienstleistungsgesellschaft“ kam die „Wissensgesellschaft“. Zu den besten Zeiten der Neuen Ökonomie, also zwischen 1998 und dem Jahre 2000, boomte nicht nur die High-Tech-Branche, sondern auch das Gerede vom gut ausgebildeten neuen „Arbeitskraft-Unternehmer“, der flexibel, mobil, innovativ und marktorientiert hohe Gehälter einfuhr. Der lebendige Beweis also, dass der Mensch die Oberhand im Weltgeschehen hat, wenn er nur über das richtige Wissen verfügt und hinreichend leistungswillig ist.
Doch so schnell wurde noch kaum ein Mythos vernichtet: Nach ein, zwei Jahren war es aus, eine Erholung ist nicht in Sicht. Die Arbeitslosigkeit unter Akademikern ist überproportional gestiegen, berichtet die Bundesanstalt für Arbeit. Jetzt erzählen Karriere-Coaches ihren arbeitslosen New-Economy-Klienten, sie sollten ihre Joblosigkeit um Himmels willen nicht als persönliches Versagen werten. Die persönliche miese Lage sei einzig und allein auf den schlechten Markt zurückzuführen. Der Abstieg der Neuen Ökonomie beendete viele Mythen von der Leistungsfähigkeit des Einzelnen – jetzt muss ein neues Glaubenssystem her.
So macht sich unter jungen arbeitslosen AkademikerInnen eine Haltung breit, die auch früher schon einmal verbreitet war und jetzt wie neu wirkt: Fatalismus. Die Schicksalsergebenheit hat nichts mit persönlicher Schwäche gemein, man tut im Alltag schließlich, was man kann. Doch der Glauben an ein „richtiges Wissen“, an die Kontrollierbarkeit der eigenen Zukunft, ist nachhaltig erschüttert. Anders als früher ist aber jetzt nicht mehr die Gesellschaft schuld: Die Jobsucher finden sich auf dem Arbeitsmarkt wieder. Oder ist auch der ein Mythos? BARBARA DRIBBUSCH