AFGHANISTAN-EINSATZ: DIE LINKSPARTEI MUSS MIT ENTSCHEIDEN : Den Wählerwillen ernst nehmen
Es scheint zu einer lieben Gewohnheit zu werden, dass ein abgewähltes Parlament noch sicherheitspolitische Entscheidungen treffen darf. 1999 ging es um den möglichen Nato-Einsatz im Kosovo. Ungehört verhallte damals die Mahnung des scheidenden FDP-Politikers Burkhard Hirsch, die alte Zusammensetzung des Bundestages entspreche nicht mehr dem Willen des Volkes, mithin sei die Sondersitzung nicht legitim. Am nächsten Mittwoch soll erneut ein abgewählter Bundestag über Verlängerung und Modalitäten eines Einsatzes entscheiden, dieses Mal in Afghanistan. Ohne die Fraktion der Linkspartei, versteht sich. Dem alten Parlament hat sie ja noch nicht angehört.
Das Vorgehen mag verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sein – von Respekt gegenüber dem Wählerwillen und der Institution des Parlaments zeugt es nicht. Zumal es keineswegs unvermeidlich wäre. Der neue Bundestag muss sich spätestens bis zum 18. Oktober konstituieren, aber nichts spricht dagegen, dass er früher zusammentritt. Das Mandat für Afghanistan läuft am 13. Oktober aus.
Angesichts der breiten Zustimmung zu der Operation entschiede der neue Bundestag vermutlich ebenso wie der alte. Aber immerhin könnte die Linkspartei dann das tun, wofür sie gewählt wurde: einer abweichenden Position parlamentarisches Gehör verschaffen. Sie lehnt die Afghanistan- Mission nämlich ab. Es hat sich mittlerweile eingebürgert, die Zustimmung zu einem UN-Einsatz als Gradmesser für Realitätssinn und Regierungstauglichkeit einer Partei zu betrachten. Anders ausgedrückt: Wer dagegen ist, zeigt damit seine ideologische Verbohrtheit. Gerade im Falle Afghanistans kann davon keine Rede sein.
Wenn schon nicht rechtlich, so doch faktisch ist die UN-Friedensmission längst eng verzahnt mit dem US-geführten Kampfeinsatz „enduring freedom“. Auch an Letzterem sind übrigens deutsche Soldaten beteiligt. Was sie genau tun, bleibt der Öffentlichkeit verborgen. Möglicherweise – hoffentlich – gelingt es der Linkspartei, die überfällige parlamentarische Debatte darüber neu zu beleben. Ärgerlich, dass ein Votum der Wähler offenbar nicht genügt, um das sofort in Angriff nehmen zu können. BETTINA GAUS