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Archiv-Artikel

ABSTIEG IST KEIN BISSCHEN WIE STERBEN Ist Fürth wirklich schlimm?

über die Zukunft von Hertha BSC

KATHRIN WEBER-KLÜVER

Die Annahme, dass die Welt untergeht, und sei es nur die kleine Welt der Angeberstadt Berlin, wenn ihr Erstligaverein absteigt, ist falsch. Es mögen zwar gerade viele Menschen darüber räsonieren, wie sehr eine Metropole ohne Erstligafußball nicht geht. Unsinn ist diese Behauptung trotzdem. Wer in zivilisierteren Zeiten dachte, dass eine Großstadt zusammenbricht, wenn ihr öffentlicher Nahverkehr es tut, weiß es inzwischen auch besser. Der Mensch, das wunderbare Wesen, gewöhnt sich an alles. Existiert in seiner Welt kein Erstligist mehr, lebt er einfach in einer Welt mit einem Zweitligisten weiter.

Es passiert auch nichts, wenn ein Fußballverein absteigt, außer dass sein Budget neu berechnet sowie Personal ausgetauscht wird und – das allerdings ist ein Problem: gelegentlich allen Ernstes sonnabends um ein Uhr gespielt wird. Auch ist eventuell ein Gastspiel in Dortmund lustiger als eines in Fürth. Andererseits: vielleicht auch nicht. Man muss es ausprobieren.

Natürlich gibt es Fans, die ehrlich bedrückt sind, erst durch den Abstieg, dann wegen der Anstoßzeiten. Niemand wird gern gedemütigt. Nun sind aber ziemlich viele Anhänger von Hertha BSC Berlin entgegen einer verbreiteten Ansicht gar keine mimosenhaften Meckermonster mehr, sondern im Gegenteil ziemlich leidenschaftlich und leidensfähig. Es könnte sein, dass sie der Wechsel der Ligen nicht völlig umhaut. Wenn man beim Fußball etwas lernt, dann doch, dass es – solange der eigene Verein nicht aufgelöst wird – immer weitergeht. Nach Erfolgen eher abwärts, nach Misserfolgen auch wieder aufwärts. Ist also ein Abstieg nicht zu verhindern, kann man sich umgehend dem erfreulichen Ziel des Wiederaufstiegs widmen. Wobei: Noch, auch heute Abend in Bremen, steckt Hertha BSC ja mitten drin in der sogenannten Aufholjagd.

Entgegen mancher kurzatmigen Einschätzung ist eine Aufholjagd nicht beendet, nur weil aus drei Spielen nicht drei Siege herausgesprungen sind. Da Hertha BSC auch in erfolgreicheren Jahren keinen schönen Fußball gespielt hat, war nicht ernsthaft damit zu rechnen, dass es ausgerechnet jetzt passieren würde. Aber fünf Punkte aus drei Spielen sind nicht schlecht, dabei kein Gegentor zu kassieren, ist nicht schlecht, nur noch sechs Punkte Abstand auf Rang 16 sind nicht schlecht. Für die erste Aufholjagdetappe ist das alles nicht so schlecht. Nur Herthas Fußball ist eben schlecht.

Viele nach Sentimentalität dürstende Menschen dürften dem Verein kurz ihre Sympathie ausleihen, verliefe die Aufholjagd erfolgreich. Vermutlich aber schlössen die olle Hertha eines etwas ferneren Tages viele Menschen wirklich ins Herz, wenn sie abstiege und sich anschließend zur Abwechslung der Entwicklung eines eigenen Stils widmete. In dieser Hinsicht hat Hertha so viel aufzuholen, dagegen sind ein paar Wochen Aufholjagd lockeres Auslaufen.