90 minuten mit dem boulevardfernsehen : Sind alle Spielerfrauen blond und doof?
Wer sich ins Fernsehen begibt, kommt darin um, heißt es, aber die Neugier war stärker
„Beschäftigen Sie sich noch mit dem Thema Spielerfrauen?“, fragte vor ein paar Tagen ein RTL-Mann. Dass der Sender sich damit beschäftigt, liegt nahe, schließlich will er ja auch was vom EM-Kuchen abbekommen. Aber warum fragt der Redakteur mich das? Man suche für einen Beitrag im Magazin „Extra“ kurzfristig einen „Experten“, sagt er. Meinen „Experten“-Status verdanke ich einem Kapitel in einem fünf Jahre alten Buch („Scheiß-Fußball!“).
Wer sich ins Fernsehen begibt, kommt darin um, heißt es, aber ich ignorierte das, die Neugier des Medienjournalisten war stärker. Wenn Kollegen aus Kriegsregionen berichten, kann ich mich doch der Gefahr eines RTL-Interviews aussetzen. Zwei Antworten nehmen sie, der Rest ist für die Galerie, dachte ich. Aber die Einstellung erwies sich als naiv. Mein wesentlicher geistiger Beitrag bestand in der Wahl des Drehorts (Adolf-Jäger-Kampfbahn, Altona), sonst sollte ich nur die „These“ des Beitrags stützen.
Um sich die „These“ vorzustellen, reicht ein Blick auf die Fragen: Sind alle Spielerfrauen blond und doof? Was halten Sie davon, dass sich Marcell Janssens Freundin für ein Magazin auszieht? Wie angeln sich Spielerfrauen ihre Fußballer? Ich merke schon beim Vorgeplänkel mit der eingeflogenen Redakteurin an, dass mich das Thema Angeln nicht so interessiert. Vergeblich.
Die Gesprächsregeln: Wenn ich ein unverständliches Wort benutze, etwa „Ressentiments“, muss der Teil neu gedreht werden. Und die Antworten sollen „kurz, schnell, plakativ“ sein. Gar nicht so einfach bei Fragen, die keine sind. Ich versuche Formulierungen zu finden, die nicht zu meinem Nachteil geschnitten werden können. „Inhaltlich geht das schon in die richtige Richtung“, sagt der Kameramann, ein „Good Cop“-Typ. Jetzt gelte es zu überlegen, wie man die Antwort besser formuliert. Ich hatte gesagt: „Wenn Spielerfrauen doof sind, dann genauso doof wie Spielerinnenmänner.“ Zu kompliziert. Nächste Antwortvariante: „Wenn Spielerfrauen doof sind, dann so doof wie ihre Partner.“ Finden die RTL-Leute okay.
Als die Redakteurin wieder was mit „angeln“ fragt, versuche ich einen Spielabbruch zu provozieren. Ohne Erfolg.
Erst nachdem ich altklug über die Geschichte des Spielerfrauenwesens räsoniert und Namen wie Ilka Seeler erwähnt habe, bin ich erlöst. RENÉ MARTENS