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Archiv-Artikel

80 Zeilen Kulturhauptstadt Peter Rautmann: Ungewohnte Fragen

Bremen will den Titel: Seit einem Jahr betreut Martin Heller die Bewerbung als Kulturhauptstadt Europas 2010 – Zeit für eine Bilanz. Deshalb fragt die taz Kenner und Akteure der Szene nach dem Stand in Hirn und Herz. Heute: Peter Rautmann, Rektor der Hochschule für Künste

Wenn die Kulturhauptstadt ein Tier wäre, welches wäre es?

Das ist eine Fangfrage, denn sofort muss ich an die Stadtmusikanten denken und das schränkt ein auf vier Tiere; andererseits gibt es ja auch eine B- und C-Auswahl und das öffnet wieder: Also, die Kulturhauptstadt ist ein Delphin, der elegant und verspielt durchs Wasser gleitet, ab und zu hoch schnellend, im Sonnenlicht glitzernd, mit Wassertropfen auf der Haut, sich um die eigene Achse drehend, ehe er kopfüber wieder in die Fluten stürzt, mit großem Speed in die Tiefe taucht, vorbei an farbigen Korallen und grünen Schlingpflanzen, so Himmel und Erde verbindend. Übrigens – Delphine gab es früher an unserer Nordseeküste.

Was hat die Kulturhauptstadt bisher mit Bremen gemacht?

Kulturhauptstadt ist eine Riesenherausforderung und eine einmalige Chance. Sie hat bereits jetzt Bremen durcheinander gewirbelt. Die Bewerbung hat uns Fragen stellen lassen, die wir nicht gewohnt waren: Warum sollte jemand aus Südfrankreich, London oder Venedig sagen: Whow, die haben ja eine ganze Stadt umgekrempelt, da passiert ja etwas architektonisch, künstlerisch, kulturell, sozial – das will ich sehen und hören, da will ich mitreden. Da wird mir etwas geboten, was ich sonst nirgendwo erleben kann – und was könnte das sein? Es muss mit Bremen und seinen Fähigkeiten zusammen hängen. Die Perspektive europäische Kulturhauptstadt zwingt uns, in großen Dimensionen zu denken.

Was hat sich unmittelbar für Sie geändert?

Die Hochschule für Künste, die University of Arts Bremen ist letztes Jahr mit ihrem Fachbereich Bildende Kunst in den Speicher XI umgezogen, der Standort für die Musik in der Dechanatsstraße wird dieses Jahr umgebaut. Da stellen sich selbstverständlich Fragen nach ihrer Weiterentwicklung, und diese verquicken und verschränken sich auf ungeahnte Weise mit Fragen und Perspektiven der Zukunftsfähigkeit der Stadt – auf die die Bewerbung für die Kulturhauptstadt Antworten finden muss. Begreifen wir die Überseestadt als Bühne, indem wir vorführen, wie was sein könnte: Errichten wir doch temporäre Bauten für zwei Monate, in denen für diese Zeit gelebt, gearbeitet, gefeiert wird. Wo über die Stadt der Zukunft nachgedacht wird, die Erfahrungen der europäischen Stadt wie der Mega-Citys in Übersee mit einbezogen werden – das Projekt heißt ja „europäische Kulturhauptstadt“. Es geht darum, neue Horizonte aufzutun. Umbruchsphasen haben den Vorteil, das etwas bewegbar ist. Wenn diesen Mut eine ganze Stadt ergreifen sollte, wäre das fantastisch.