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Archiv-Artikel

Anschlag aufs Apfelfest vereitelt

In Rellingen sind zwei 19-Jährige festgenommen worden, die einen Sprengstoffanschlag auf das am Wochenende stattfindende Apfelfest geplant hatten – vermutlich aus Frust und Langeweile. Gestern wurden sie der Haftrichterin vorgeführt

SPRENGSTOFFKURS IM INTERNET

Die Zutaten für den Sprengstoff, mit dem die beiden 19-Jährigen schon im Juli einen Zigarettenautomaten gesprengt und für den Anschlag auf das Rellinger Apfelfest vorgesehen hatten, waren frei verkäuflich. Das bedeutet, dass die Grundstoffe für eine solch explosive Mischung im Baumarkt oder der Apotheke erworben werden können. Das Mischungsverhältnis der Zutaten und die Anleitung zum Bombenbau kann im Internet nachgelesen werden. Etliche Webseiten und Foren beschäftigen sich mit dem Thema. Dort diskutieren schon 14-Jährige, wie man verhassten Lehrern „die Haustür zerfetzen“ könne. Dass User im Internet nicht anonym sind, musste einer der beiden nun Festgenommenen lernen: Ihm konnte nachgewiesen werden, dass er eine Anleitung zum Herstellen einer Briefbombe mit dem Aufruf, diese zu benutzen, veröffentlicht hatte – ausgerechnet auf der Internetpräsenz der Gemeinde Rellingen.  STL

VON STEFANIE HELBIG UND ANNIKA STENZEL

Seit am Montag zwei 19-Jährige festgenommen wurden, die einen Anschlag auf das traditionelle Apfelfest geplant hatten, steht Rellingen bei Hamburg Kopf.

Eigentlich ist es ruhig in dem 13.000-Einwohner-Ort. Junge Mütter schieben ihre Kinderwägen die kleine Hauptstraße entlang, am Rathaus blühen Geranien und am Arkadienplatz, wo am Wochenende das Apfelfest stattfinden wird, plätschert ein Brunnen. Doch diese Ruhe ist nun gestört, die Rellinger sind schockiert. „Unglaublich, das so etwas in einer Kleinstadt passieren kann“, sagt Michael Meier, der in Rellingen wohnt, unvorstellbar, was bei einer Detonation passiert wäre, auf einem Straßenfest mit vielen Kindern.

Die Zutaten, die das Duo zur Herstellung des Sprengstoffes brauchten, sind frei verkäuflich, im Internet finden sich Anleitungen zur genauen Mischung (siehe Kasten). Mit einer solchen Sprengstoffmischung sollen die beiden 19-Jährigen schon im Juli einen Zigarettenautomat gesprengt haben. Bereits am Dienstag wurden die Wohnungen der Tatverdächtigen vom Kampfmittelräumdienst durchsucht, was dort gefunden wurde, ist allerdings noch unbekannt. Über die möglichen Auswirkungen des geplanten Sprengstoffanschlags will sich das Landeskriminalamt nicht äußern. Man könne nur spekulieren, was eine solche Detonation anrichten könne, sagte gestern Kai Schlotfeldt, Sprecher des LKA in Schleswig Holstein. Sicher sei jedoch, dass die beiden jungen Männer den Tod anderer billigend in Kauf genommen hätten. Es sei „schon mehr als Silvesterböller“ gewesen, sagte auch Staatsanwalt Wieduwilt, „das nehmen wir sehr ernst“.

Bis Redaktionsschluss herrschte jedoch Unklarheit darüber, warum sich die beiden jungen Männer ausgerechnet ein kleines, von Einwohnern als spießig empfundenes Apfelfest als Anschlagsziel aussuchten. „Das Apfelfest ist eines der wenigen Ereignisse im Dorf“, sagt Jörn Foster, Ortsjugendpfleger in Rellingen, der taz. Es könne sein, dass die Heranwachsenden, die weder Schulabschluss noch Arbeit haben, schon ihr Leben lang mit dem Hass auf das bürgerliche Apfelfest lebten. Schnell schloss das Landeskriminalamt rechtsradikale oder andere politisch motivierte Hintergründe als Motivation aus, obwohl die beiden 19-Jährigen in Rellingen der rechten Szene zugeordnet werden. Es gibt jedoch verhältnismäßig wenige Ausländer in dem beschaulichen Ort. „Frust und Unzufriedenheit“ seien die Gründe, verkündeten gestern Staatsanwaltschaft und Bürgermeister Oliver Stolz geschlossen. Dafür spricht auch, dass einer der beiden Täter wegen Beleidigung und Körperverletzung zu einer Bewährungsstrafe verurteilt wurde. Etliche aufgestochene Autoreifen und Anschläge mit Buttersäure gehen ebenfalls auf das Konto der 19-Jährigen. Zudem hatte der unter Bewährung stehende André M. im Gästebuch der Internetseite der Stadt Rellingen eine Anleitung zum Briefbombenbau mit einem Aufruf, diese zu benutzen, veröffentlicht.

André M. sei ein netter Typ, der wie die anderen Jugendlichen oft am Sportplatz rumhänge, sagte ein Jugendlicher der taz. Er wollte mal eine Bombe in der Schule hochgehen lassen, habe aber zu sehr damit geprahlt, das habe sich dann schnell herumgesprochen. Auch Bürgermeister Stolz vermutet, dass die Anschlagsplanung aus mangelnder Aufmerksamkeit entstanden ist. Trotzdem sei er sehr erleichtert, dass die Polizei den Anschlag verhindern konnte.

So wird das Rellinger Apfelfest wie jedes Jahr am letzten Wochenende in September stattfinden. Über Sicherheitsvorkehrungen wird noch beraten, es gäbe jedoch für die Bürger keine Gefahr mehr, sagte Staatsanwalt Wieduwilt. „Ich bin stolz auf unsere Polizei, die durch gute Aufklärung und beherzten Zugriff eine wirklich schlimme Straftat verhindert hat“, sagte auch Ministerpräsident Harry Carstensen, viele Menschen hätten verletzt oder sogar getötet werden können.

Die Rellinger Bürger sind erleichtert. Ob ihre Angst vor einem möglichen Anschlag größer ist als die Lust auf einen warmen Apfelkuchen, wird sich am Wochenende zeigen.