: Maas will Kontaktsperregesetz lockern
ANTI-TERROR-RECHT Der Kontakt von inhaftierten Terroristen zu ihren Anwälten soll nicht mehr blockiert werden können. Das bisherige Gesetz ist gut 35 Jahre alt: Es rührt noch aus den Zeiten der RAF-Attentate
JUSTIZMINISTER HEIKO MAAS
HAMBURG taz | Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) will das 1977 eingeführte Kontaktsperregesetz abmildern. Auch während eines terroristischen Ausnahmezustands soll der Kontakt zwischen Häftlingen und Anwälten nicht mehr verhindert werden können. Ein entsprechender Gesetzentwurf des Ministers liegt der taz vor.
Das Kontaktsperregesetz ist ein Produkt des Deutschen Herbsts 1977. In einer beispiellosen Serie von Attentaten hatte die RAF damals zuerst Generalbundesanwalt Siegfried Buback erschossen, dann den Bankier Jürgen Ponto und schließlich bei der Entführung von Arbeitgeberpräsident Hanns Martin Schleyer vier von dessen Begleitern.
Am 6. September 1977, einen Tag nach der Schleyer-Entführung, begann eine Kontaktsperre für rund 70 Gefangene, die der RAF zugerechnet wurden. Sie durften von nun an weder untereinander noch mit der Außenwelt noch mit ihren Anwälten kommunizieren. Das hatte der von Kanzler Helmut Schmidt (SPD) geleitete Große Krisenstab beschlossen. Er wollte so verhindern, dass die inhaftierten RAF-Gefangenen die Schleyer-Entführer steuern können.
Eine gesetzliche Grundlage gab es für die Kontaktsperre zunächst nicht. Die Bundesregierung berief sich deshalb auf „rechtfertigenden Notstand“. Einige Anwälte erzwangen daraufhin Gerichtsurteile, die ihnen Mandantenbesuche erlaubten. Die Behörden missachteten diese Urteile jedoch. Daraufhin starteten die Anwälte ein Eilverfahren beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe.
Erst jetzt beschloss die Bundesregierung, ein Gesetz auf den Weg zu bringen. Das Kontaktsperregesetz wurde Ende September 1977 binnen drei Tagen im Bundestag beraten und beschlossen. Aus der sozialliberalen Koalition enthielten sich 17 Abgeordnete, vier stimmten dagegen, so dass Helmut Schmidt auf die Hilfe der Opposition angewiesen war. Am 2. Oktober trat das Gesetz in Kraft – sofort stützte der damalige Bundesjustizminister Hans-Jochen Vogel (SPD) die fortdauernde Kontaktsperre auf das neue Gesetz. Beendet wurde sie am 20. Oktober, zwei Tage nach Schleyers Ermordung. Das Bundesverfassungsgericht prüfte die Kontaktsperre im August 1978 und kam einstimmig zum Schluss, dass die Maßnahme die Gefangenen „nicht übermäßig“ belastete.
Was in Karlsruhe nicht zur Sprache kam: Die Stammheimer RAF-Gefangenen konnten sich trotz Kontaktsperre über eine selbst gebastelte Gegensprechanlage verständigen. Möglicherweise hat der Staat dies geduldet, um die Gespräche der Häftlinge illegal abhören zu können. Nach Darstellung von Stefan Aust in seinem Standardwerk „Baader-Meinhof-Komplex“ konnte Baader aus darunterliegenden Zellen sogar Radio hören, war also trotz Kontaktsperre gut informiert. Einen Hungerstreik gegen die Kontaktsperre brachen die Gefangenen allerdings schnell ab, weil niemand etwas davon mitbekam. Auch die Selbstmorde von Baader, Ensslin und Raspe fielen in die Zeit der Kontaktsperre. Das Gesetz wurde seither nicht mehr angewandt.
Gegen die EU-Richtlinie
Justizminister Heiko Maas will die Regelungen zur Kontaktsperre nun in einem wesentlichen Detail ändern. Der Kontakt zu Anwälten soll nicht mehr unterbunden werden können. „Auch heute sind wir durch neue Formen von Terrorismus gefährdet, aber mir fehlt jede Fantasie, um mir vorzustellen, dass deutsche Anwälte wieder wie damals zu Helfershelfern des Terrors werden können“, sagte Maas auf dem Deutschen Anwaltstag in Hamburg. Der Gesetzentwurf befindet sich derzeit in der Ressortabstimmung der Bundesregierung. Die Änderungen betreffen die Einführung zum Gerichtsverfassungsgesetz.
Tatsächlich hat Maas gar keine andere Wahl. Denn die Möglichkeit, den Kontakt zum Anwalt zu kappen, verstößt gegen die EU-Richtlinie „über das Recht auf einen Zugang zu einem Rechtsbeistand in Strafverfahren“ von 2013. Maas will das Kontaktsperregesetz nicht generell abschaffen. Die Möglichkeit, den Kontakt von Gefangenen untereinander und zur Außenwelt zu sperren, soll bestehen bleiben.
CHRISTIAN RATH