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Archiv-Artikel

MUSIK

hört auf den Sound der Stadt

TIM CASPAR BOEHME

Improvisieren, also Musik machen ohne Noten und – mehr oder minder – spontan, geschieht meistens in übersichtlichem Rahmen. Gern gewählte Konstellationen sind Duo, Trio, Quartett oder Quintett. Seit fünf Jahren gibt es in Berlin jedoch gleich zwei frei musizierende Großformationen, das Splitter Orchester und das fast zeitgleich gegründete Berlin Improvisers Orchestra. Letzteres besteht gegenwärtig aus 24 Musikern von verschiedenen Kontinenten, die alle in Berlin ansässig sind und sehr freizügig improvisieren. Mal mit echten Tönen, mal ohne. Mit dabei sind unter anderem die Sängerin Ute Wassermann, die Saxofonistin Anna Kaluza, der Gitarrist Hannes Buder und der Bassist Jan Roder. In voller Besetzung dürfte es am Donnerstag im B-Flat daher einigermaßen drängelig werden (Rosenthaler Str. 13, 21 Uhr, 13/10 €).

In kleinerer Besetzung improvisiert man am Freitag im Ausland in der Reihe Biegungen. Das dreiköpfige Richard Scott’s Lightning Ensemble um den britischen Synthesizer-Experten Richard Scott hat den Landsmann Jon Rose an der Data Violin als Gast. Als weitere Kapazität auf dem Gebiet der elektronischen Klangdatenverarbeitung wird der US-Sampling-Künstler Bob Ostertag den Aalto Software-Synthesizer präsentieren (Lychener Str. 60, 20.30 Uhr).

Nach Noten musiziert wird von Samstag an in der Staatsoper, wo das Festival „Infektion!“ die Besucher mit neuem Musiktheater anzustecken verspricht. Den Auftakt macht am 13. Juni Karlheinz Stockhausens Proto-Fluxus-Stück „Originale“, für das er seine Komposition „Kontakte“ mit einem Happening versah, das bei der Uraufführung 1961 in Köln noch für einen echten Skandal sorgte (Bismarckstr. 110, 20 Uhr, Premiere ausverkauft, weitere Termine am 20., 24., 25. u. 27. 6., 20/15 €).

Am Mittwoch sei mit dem größtmöglichen Nachdruck, der sich in diese zwei Kolumnenspalten pressen lässt, das Konzert der Reihe Polymorphism im Berghain empfohlen. Auf der Bühne stehen Künstler des Berliner Labels Morphine Records, darunter mit Charles Cohen ein bis vor Kurzem sehr seltener Gast außerhalb seiner Heimatstadt Philadelphia. Der Fachmann für Synthesizer der Marke Buchla hat in über 40 Jahren einen Improvisationsstil entwickelt, der so einzigartig wie elektrisierend ist und den man live auf keinen Fall verpassen sollte. Ebenfalls zugegen sind der House-Anarchist Hieroglyphic Being, dessen Herangehensweise an Clubmusik eine deutliche Nähe zum Free Jazz erkennen lässt, und schließlich der Morphine-Labelbetreiber Rabih Beaini persönlich, der mit dem Kollegen Daniele de Santis analoge elektronische und Umweltgeräusche kombinieren wird (Am Wriezener Bahnhof, 21 Uhr, 19 €).