: Der Haschschuppen am Rande der Stadt
HYDE PARK Der Osnabrücker Musikclub eröffnete 1976 in einem ehemaligen Ausflugslokal – Lokalpolitikern und Anwohnern war er suspekt
Am Abend des 31. Juli 1983 stehen viele Gäste vor dem Jugendlokal „Hyde Park“; drinnen findet ein Konzert statt. Gegen halb elf fliegen Flaschen, auf der Straße lodert ein Feuer. Als der „Park“, wie behördlich angeordnet, um Mitternacht schließt, strömen auch die Konzertbesucher ins Freie. In der Nacht ergeht der Befehl, die Straße zu räumen. Bei den teils heftigen Auseinandersetzungen zwischen Uniformierten und einigen Flaschenwerfern kommen auch Unbeteiligte zu Schaden. Ein paar Tage lang demonstrieren Jugendliche gegen die Schließung, Die Tagesschau berichtet, die Bildzeitung titelt zwei Tage später: „Osnabrück: 1.000 Punker, blutige Schlacht!“
Vom „Kampf um den Hyde Park“ ist die Rede, aber diese Wortwahl verschleiert die Tatsachen, denn den meisten Jugendlichen ging es in diesen heißen Tagen im Sommer 1983 um die Sache. Auf Flugblättern wurde friedliches Verhalten angemahnt, man traf sich mit Lokalpolitikern und unterbreitete praktische Vorschläge.
Der umstrittene „Hyde Park“ war aus einem klassischen Ausflugslokal mit Namen „Schweizerhaus“ hervorgegangen. Das Haus florierte, hatte zeitweilig sogar ein eigenes Orchester. Mit der Veränderung des Ausgehverhaltens verlor es jedoch nach und nach sein Publikum. Versuche, sich an die gewandelte Jugendkultur anzupassen, blieben glücklos.
Im Mai 1976 übernahm eine Gruppe junger Leute um die gastronomieerfahrene 24-jährige Studentin Conny Overbeck, die eine kleine Erbschaft in das Lokal investierte, den Pachtvertrag. Zur großen Eröffnung am 18. Juni organisierte man ein Gastspiel der ungarischen Progrocker Omega. Ungewöhnliche Töne in einem Haus, wo einst Vereinsbälle und Tanztees das Angebot bestimmt hatten. Das „Schweizerhaus“ hieß nun „Hyde Park“, nannte sich „Music Hall“ und bot anfangs neben Disko zwei Mal pro Woche Live-Musik – die Liste der Künstler, die hier auftraten, liest sich heute wie ein Who is Who der Rockgeschichte.
Der sofortige Erfolg des „Hyde Parks“ erklärt sich teils daraus, dass langjährige Bemühungen um ein freies Jugendzentrum immer wieder am Unwillen der Stadt gescheitert waren. Keine Vorschriften, kein Genusszwang, kleine Preise – der „Hyde Park“ bot die ersehnte Alternative.
Der Bürgerschaft war dieser Freiraum suspekt, der „Hyde Park“ bald als „Haschschuppen“ verrufen. Es kam zu Klagen über Lärmbelästigung, schließlich der Kompromiss: Die Betreiber wollten den Standort wechseln, die Stadt bei der Suche nach einem Ersatz behilflich sein. Doch der war schwerer zu finden als erwartet. Zeitweilig wurde erwogen, den Betrieb noch eine Weile weiterlaufen zu lassen; nach lebhaften Protesten der Anwohner wurde diese Idee aufgegeben, die Schließung angeordnet.
Die darauf folgenden Demonstrationen blieben nicht ohne Wirkung. Mit städtischer Unterstützung bezog der „Hyde Park“ übergangsweise ein Zirkuszelt. 1985 wurde es durch einen Holzbau ersetzt. 2000 entstand ein fester Neubau, der bislang letzte Umzug des Kultclubs. 2016 feiert der „Hyde Park“ sein 40-jähriges Bestehen. Die Geschäfte führt bis heute Conny Overbeck. HARALD KELLER
Harald Keller ist Mitautor des Buchs „Hydepark-Memories – Ein Osnabrücker Musikclub und seine Geschichte(n)“, Oktober Verlag, 2011, 240 S., 24,90 Euro